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1.6.1946: Autonome Republik Cochinchina
Im August 1945 ging mit den Atombombenabwürfen auf Japan auch in Südostasien der Zweite Weltkrieg zu Ende. Durch die Niederlage Japans entstand in Indochina ein Machtvakuum, das Frankreich nutzen wollte, um seine kolonialen Ansprüche wieder zu beleben. Am 1. Juni 1946 gründete es die "Unabhängige Republik Cochinchina".

Fast ein Jahrhundert zuvor waren die Franzosen in Indochina erschienen. Doch über die Kontrolle des Südens von Vietnam waren sie nie hinaus gekommen. Südvietnam, die fruchtbare "Reiskammer" Südostasiens am Mekongdelta hieß Cochinchina. Das mittlere Vietnam, wo die Franzosen 1858 bei Da Nang gelandet waren, hieß Annam, und der Norden um die alte Hauptstadt Hanoi wurde Tongkin genannt.

Eingliederung Cochinchinas

Nach dem Rückzug Japans gliederte Frankreich Cochinchina wieder in die französische Union ein und versuchte erneut, seinen Einfluss nach Annam und Tongkin auszudehnen. Der von Paris eingesetzte "Hohe Kommissar für Indochina", Admiral George Thierry d'Argenlieu, formulierte die Absichten Frankreichs so: "Wir müssen die Erhaltung und den Ausbau unseres Einflusses und unserer wirtschaftlichen Interessen sicherstellen und den Schutz der ethnischen Minderheiten, mit dem wir betraut sind. Und uns sorgen um die Sicherheit unserer strategischen Stützpunkte und die Verteidigung der Französischen Union."

"Hands-Off!" aus den USA

Wie schon bei den Kämpfen gegen die Japaner im Zweiten Weltkrieg bat Paris erfolglos die USA um Unterstützung. Roosevelts und später Trumans Politik waren eindeutig antikolonialistisch geprägt, und beide waren daher zu einem Engagement nicht bereit. Washingtons Zurückhaltung gegenüber Frankreich veranlasste wiederum den Führer der Nord- und Mittelvietnamesischen Völker, Ho Chi Min, seine Hoffnungen auf die USA zu setzen. Dem US-amerikanischen Geheimdienstoffizier Major Archimedes Patti sagte er: "Übermitteln Sie dem amerikanischen Volk, dass wir es lieben. Sagt den Amerikanern, dass die Vietnamesen niemals gegen sie Krieg führen werden."

Da die USA jedoch mehr als an allem anderem daran interessiert war, ein starkes Frankreich als Verbündeten in Europa zu haben, versagten sie auch den Vietnamesen die Unterstützung. Keine Parteinahme, so lautete die US-amerikanische Politik in Indochina, "Hands-Off!" Daran konnten auch die wiederholten flehentlichen Bitten Ho Chi Mins nichts ändern: "Wir möchten Amerikas moralische Unterstützung. Wir bitten um nichts anderes."

Beginn des Ersten Indochinesischen Krieges

Die Unterstützung, die die USA dem Viet-Minh versagte, fanden sie dann aber doch, und zwar in Peking. Dem französischen Expansionismus Richtung Hanoi im Norden standen die Viet-Minh gegenüber, die ihrerseits die Republik Cochinchina bedrängten. Denn es ging ihnen nicht nur um die Unabhängigkeit Tongkins und Annams, sondern eben auch um die des Südens, um die Befreiung Cochinchinas von französischer Besetzung. Admiral d'Argenlieu reagierte darauf mit einer klaren Absage: "Frankreich hat nicht vor, den indochinesischen Völkern unbegrenzte und totale Unabhängigkeit zuzugestehen. Die wäre ja auch nur eine gefährliche Schimäre, was die Interessen der beiden Parteien betrifft."

Die Gründung Cochinchinas 1946 steht am Beginn des Ersten Indochinesischen Krieges. Aber Paris wurde schnell klar, dass diese "Unabhängige Republik" auch nach außen offensichtlich eines nicht war - nämlich unabhängig. Um Nordvietnam etwas entgegensetzen zu können, dachte man sich in Frankreich eine neue Strategie aus.

Vom Kolonialkrieg zum Stellvertreterkrieg

Am 23. April 1949 wurde die Unabhängige Republik Cochinchina wieder aufgelöst und an ihrer Stelle die Republik Südvietnam installiert. Doch auch dieser Staat war zu augenfällig nur ein Marionettenstaat, und der Krieg ging unvermindert weiter. Erst mit Frankreichs Niederlage von Dien Bien Phu 1954 war der Erste Indochinesische Krieg beendet.

Aus dem Kolonialkrieg der Franzosen wurde nun jedoch ein Stellvertreterkrieg, der freie Westen in Gestalt der USA gegen die Mächte der Finsternis, dem Kommunismus in der Gestalt des nordvietnamesischen Vietkong. Die USA bezahlte nun die Zeche seiner "Hands-Off-Politik", als man Frankreich die Unterstützung versagte und die Hand Nordvietnams nicht ergriffen hatte.

In der Nachfolge der Franzosen marschierten die USA in Vietnam ein und machten dann dieselbe Erfahrung: Gegen den Unabhängigkeitswillen der indochinesischen Völker war kein Kraut gewachsen, dem man militärisch hätte begegnen können. 1975 mussten auch sie sich geschlagen aus Vietnam zurückziehen.

Ende der Kolonialpolitik

Der 1. Juni 1946, als Frankreich in Südostasien die Unabhängige Republik Cochinchina gründete, steht als Wegmarke am Ende der Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war auch für Frankreich sein Weltreich Geschichte geworden. Die Gründung der Republik Cochinchina war noch einmal ein Rückfall, ein untauglicher Versuch, den imperialen Anspruch der "Grande Nation" durchzusetzen.



Autor: Dirk Kaufmann
   
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