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20.9.1951: Interzonenhandel
"Wir wollen verhindern, dass die beiden Teile unseres Volkes sich während der Trennung auseinander leben. Wir wollen entkrampfen und nicht verschärfen, Gräben überwinden und nicht vertiefen." So beschrieb 1966 der Bundeskanzler der Großen Koalition Hans-Georg Kiesinger kurz und knapp den Sinn und die Grenzen des innerdeutschen Handels.

Am 20. September 1951 hatten die Unterhändler der Bundesrepublik und der DDR das "Berliner Abkommen″ unterschrieben, die Vereinbarung über den damals so genannten Interzonenhandel. Dann, im Grundlagenvertrag von 1972, der die politischen und die wirtschaftlichen Beziehungen beider deutscher Staaten regelte, hieß es dazu ausdrücklich: "Der Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik wird auf der Grundlage der bestehenden Abkommen entwickelt. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden langfristige Vereinbarungen mit dem Ziel abschließen, eine kontinuierliche Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zu fördern."

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 hatten die Alliierten Siegermächte im Potsdamer Abkommen das Land in vier Besatzungszonen eingeteilt. Schnell begann ein reger Handel unter den Beteiligten. Den ersten Deal handelten die Briten mit der Sowjetunion aus und schickten 41.000 Tonnen Stahl in den Osten, um Braunkohle und Brennholz dafür zu erhalten. Verschiedene Abkommen folgten, die jedoch immer die Dauer des Warenaustausches begrenzten und feste Liefer- und Abnahmebedingungen diktierten.

Erst das "Berliner Abkommen" vom 20. September 1951 brachte den Durchbruch. Unbefristet und unter Einbeziehung Berlins konnte das Paragraphenwerk nach längeren Querelen endlich unterschrieben werden. Ungeachtet aller Polemik, mit der sich beide deutsche Staaten in den folgenden Jahren gegenseitig überschütteten, ging dieser gesamtdeutsche Kontakt weiter. Leise, unauffällig, aber effizient diente er beiden Seiten.

Mehr war nicht. Oder, wie der damalige Beauftragte Bonns für den innerdeutschen Handel, Franz Rösch, einmal sagte: "Dieser Handel ist mit Sicherheit auch in Zukunft kein Vehikel zur Lösung der deutschen Frage."

Nur ein einziges Mal kündigte Bonn Ost-Berlin die "wirtschaftliche Freundschaft", voreilig und unbedacht, wie sich herausstellen sollte. Am 30. September 1960 wollten die Wirtschaftswunder-Deutschen Stärke beweisen und kündigten das innerdeutsche Handelsabkommen. Der damalige Regierungssprecher von Eckard zu den Gründen: "Es ist die willkürliche Beschränkung im Reiseverkehr aus der Bundesrepublik nach West-Berlin, es ist die Verfügung, dass Bewohner der Bundesrepublik den Ost-Sektor Berlins nur mit besonderer Erlaubnis betreten dürfen, es ist die Nichtanerkennung des Reisepasses der Bundesrepublik als Personalausweis für Bewohner West-Berlins."

Am Rhein aber hatte man die Folgen für den Warenverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin übersehen. Rasch wurde das Abkommen wieder in Kraft gesetzt. Bonn hatte sich verhoben und daraus gelernt. Nach dem Bau der Mauer im August 1961 verzichtete es auf wirtschaftliche Gegenmaßnahmen.

Für den deutsch-deutschen Handel galt alliiertes Militärrecht. Das hieß, alles was nicht ausdrücklich erlaubt war, war verboten. Mit Hilfe von Warenlisten achteten die Westmächte mit Argusaugen darauf, dass nichts ″Verkehrtes″ in die Hände der Kommunisten fiel. In die Bundesrepublik flossen vor allem Nahrungsmittel, Bergbauerzeugnisse und Bekleidung. Die DDR kaufte Eisen und Stahl, Maschinen und chemische Erzeugnisse.

Unvergessen sind in West-Berlin die jährlichen Berichterstattungen der "Treuhandstelle für Industrie und Handel", wo minutiös erzählt wurde, wer wie viele Tonnen wovon gekauft und verkauft hatte. Immer dabei: Orangensaft, der aus immer noch unerklärlichen Gründen hektoliterweise die DDR verließ, obwohl nie einer der Anwesenden wusste, wo die Orangenhaine im real existierenden Sozialismus lagen.

Nach und nach wurden die Bedingungen für den Handel zwischen Ost und West verbessert. Da die Deutschen jenseits der Elbe beim Bruder im Westen immer mehr kaufen wollten als umgekehrt und bundesrepublikanische Unternehmen natürlich gerne verkaufen wollten, gewährte man einen zinslosen Überziehungskredit: "Swing" war sein Name. Nicht nur er, auch die reichhaltigen Einnahmen der DDR aus dem innerdeutschen Reiseverkehr, provozierte in den Hauptstädten der anderen Ostblockstaaten neidische und begehrliche Blicke.

Autorin: Gerda Gericke
   
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