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31.5.1987: Revolution auf der Schiene
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Doppelt so schnell wie das Auto, halb so schnell wie das Flugzeug, quer durch West-Europa, hieß das ehrgeizige Ziel. 13 Bahngesellschaften beteiligten sich an diesem Programm, für das am 31. Mai 1987 der Startschuss fiel. Von der schwierigen Geburt erzählte Hemjö Klein, damals Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbahn: "Wir haben entschieden, wir haben uns nach einem sehr schwierigen Prozess entschieden, wir werden ab Sommerfahrplan 1987 ein neues Angebot überall in Europa auf den Markt bringen. Das Angebot heißt Euro-City. Es werden die ersten internationalen Zugverbindungen sein, die nach einem einvernehmlich festgelegten Qualitätsstandard, dem höchsten Qualitätsstandard den die Bahnen haben, eingesetzt werden."

Ein Kraftakt

Die Interessen von 49 verschiedenen Eisenbahnen, Schifffahrts-, Speise- und Schlafwagengesellschaften mussten unter einen Hut gebracht werden. Dieser Kraftakt war bitter nötig. Zum einen machten die Fluggesellschaften der Eisenbahn verstärkt Konkurrenz. Sie drängten mit zum Teil sehr günstigen Angeboten im europäischen Verkehr auf den Markt.

Hinzu kam, dass die Staatsbahnen in vielen Ländern Verluste einfuhren. Allein die Deutsche Bundesbahn machte in jenem Jahr umgerechnet 1,5 Milliarden Euro Miese - ohne jede Hoffnung auf schnelle Besserung. Natürlich wurden Sanierungsprogramme aufgelegt und gut klingende Pläne verabschiedet.

Genauso selbstverständlich hieß dies, dass die Bahnoberen an der Kostenschraube drehten. Anders ausgedrückt: Jahr für Jahr wurden viele tausend Eisenbahner entlassen. Doch das allein genügte nicht, um das Tal der Tränen irgendwann verlassen zu können. Genauso wichtig war mehr Geld zu verdienen, die Menschen von der Straße und aus der Luft auf die Schiene zu locken.

Darum versuchte der damalige Bahnchef Rainer Gohlke "Die Bahn stärker aus einem produktionsorientierten und technikorientierten Unternehmen in Richtung Marktunternehmen zu bringen. Wir wollen die Bedürfnisse des Kunden analysieren und die Bedürfnisse des Kunden erfüllen."

Sicher, bequem und schnell

Siegen lernen hieß für die Bahn Ende der 1980er-Jahre von Frankreich lernen. Deren Hochgeschwindigkeitszug TGV war ein Produkt aus der Marketingabteilung, und kein Produkt aus der Produktionsabteilung.

Auch der am 31. Mai 1987 das erste Mal auf die Schiene geschickte Euro-City war eine Idee der Verkaufsabteilungen der europäischen Bahnen. König Kunde nicht nur sicher sondern auch bequem und schnell durch Europa zu fahren, schien das Gebot der Stunde.

Und damit einzelne nationale Eisenbahngesellschaften nicht irgendwelche Mogelpackungen auf die Reise ließen, wurde detailliert festgelegt, wodurch sich ein Euro-City von einem ganz normalen D-Zug unterscheidet, Hemjö Klein sagte damals dazu: "Die Züge werden alle klimatisiert sein, sie werden alle über einen Speisewagen verfügen, sie werden alle mit einer Mindestzahl an Zugbesatzung verkehren, sie werden insgesamt 22 Einzelmomente zu erfüllen haben, bevor sie unserer Ansicht nach der Privileg des Euro-Citys nehmen können."

Standards

Mindeststandards wurden auch bei der Reisegeschwindigkeit festgelegt, 90 km/h, im Hochgebirge reichten 80 km/h, Bummelbahnen hatten keine Chance. Die Euro-Citys mussten pünktlich sein, durften nicht an jeder Milchkanne halten und auf den Bahnhöfen nicht kleine Ewigkeiten herumstehen.

Die mehrsprachige Lektüre, Zugtelefon, Minibar, Schlaf- und Liegewagen waren im neuen europäischen Edelzug ab jetzt Standard. Als Sahnehäubchen wurde die Unterwegs-Reinigung eingeführt, sprich: Papierkörbe geleert und Toiletten geschrubbt wurden fortan nicht nur auf dem Endbahnhof, sondern auch immer mal wieder zwischendurch.

Ein wahrer Fortschritt war aber der Umstand, dass die Grenzkontrollen in den Euro-Citys ab dato grundsätzlich während der Fahrt im Zug stattfanden, und deutsche Italienreisende endlich nicht mehr erst an der deutsch/schweizerischen Grenze warten mussten, bis Zollbeamte beider Nationen die Wagen durchgelaufen waren, nur um kurze Zeit später an der schweizerisch/italienischen Grenze das Stück noch einmal vorgeführt zu bekommen.

"Parsifal", "Komet" und "Rembrandt"

Auch bekamen die neuen Zugpferde schicke Namen. Fortan verband der "Parsifal" Köln mit Paris, dampfte der "Komet" von Hamburg nach Basel und der "Rembrandt" verkehrte zwischen Amsterdam und Chur. Die 3.000 km zwischen Stockholm und Barcelona waren mit dem Euro-City ab dem 31. Mai 1987 in 37 Stunden zu schaffen.

Durch seine zentrale Lage wurde Deutschland zu einer Art Drehscheibe des Systems. Rund 13 Mio. Bundesbürger hatten direkten Zugang zu den neuen Zügen. Aus der finanziellen Klemme geholfen hat der Euro-City der Bahn aber nicht.



Autorin: Gerda Gericke
   
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