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28.3.1963: Kilius und Bäumler Weltmeister
Ernst, gesammelt und jede Spur von Nervosität verbergend, betraten sie an jenem 28. März des Jahres 1963 das ausverkaufte Olympiastadion von Cortina d Ampezzo, die blonde Marika Kilius und der dunkelhaarige Hans-Jürgen Bäumler, das Traumpaar des deutschen Eiskunstlaufs. Und sogleich überschütteten die zahlreichen deutschen Fans unter den mehr als 13.000 Zuschauern sie mit ermunterndem Beifall. Mit Beifall, der sie trösten sollte über ihr Pech, für diesen alles entscheidenden Kürlauf um die Weltmeisterschaft der Paare ausgerechnet die Startnummer drei gezogen zu haben.

Die unglückliche Startnummer hatte am Tag vor dem Wettkampf die bislang so selbstsichere Siegeszuversicht des Europameisterpaares deutlich gedämpft. Das Abschlusstraining wirkte nervös, die Stimmung zwischen den beiden Partnern schien gereizt. Und Hans-Jürgen Bäumler wirkte gar deprimiert: "Wenn wir auf das Eis kommen, haben sich die Punktrichter vielleicht gerade in ihren Wertungen auf 5,0 herangeschraubt. Wie soll da der Sprung zu guten Wertungen zustande kommen?"

War also alles entschieden, bevor es losging? Sollten der Russe Oleg Protopopow und seine Partnerin Ludmilla Belusawa Weltmeister werden, nur weil sie 75 Minuten später als das deutsche Paar starten würden? Nein, diesen Triumph wollten Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler ihren schärfsten Konkurrenten nicht gönnen. Und so blendeten sie alle Zweifel aus, betraten, beide in elegantes Schwarz gekleidet, entschlossen das Eis im winterlich kalten, offenen Stadion von Cortina. Die Musik setzte ein, und das Publikum hielt den Atem an:

"Beide holen das Letzte aus sich heraus, sie laufen mit viel Ärger heute im Herzen. Dann noch einmal der Doppel-Salcho! Sicher und gleichmäßig aufgekommen. Jetzt peilt es schon in die letzten 15 Sekunden dieser Kür. Jetzt müsste noch die Zirkelspirale kommen, da ist sie auch schon. Er fasst jetzt, springt daneben allein den Achsel, und dann hat er Marika wieder gefasst, sie wirbelt herum, Schleuderachsel, dann herunter in ganz schnellem Rhythmus - Pirouette! Und großartig, Marika und Hans-Jürgen! Bravo!! Da stehen sie, breiten die Arme aus. Heute liefen Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler besser als die Olympia-Sieger!"

75 bange Minuten mussten sie warten, und dann stand es fest: Hans-Jürgen Bäumler und Marika Kilius waren Weltmeister im Paarlaufen. Zum ersten Mal seit 1952 hatte wieder ein deutsches Paar diesen Titel gewonnen. Und was für ein Paar! Im Jahr darauf in Dortmund wiederholten sie ihren Triumph, sie wurden viermal Deutscher und sechsmal Europameister und verstanden es ganz ausgezeichnet, die Herzen der Nation auch außerhalb der Eisstadien für sich zu gewinnen.

Für die Illustrierten waren sie ein gefundenes Fressen: der charmante und gutaussehende Hans-Jürgen Bäumler, der von der ganz großen Karriere träumte und im Film, als Showmaster und auf dem Theater dann weitere Talente zeigte; und Marika Kilius, das deutsche Fräuleinwunder, das mit hochgetürmtem Blondhaar Einzug in die High-Society hielt. Im August 1964 heiratete sie in Frankfurt am Main den Millionär Werner Zahn.

In einer weißen, geschlossenen Kutsche nahm die Eislaufprinzessin mit bürgerlicher Grandezza die Huldigungen von rund 10.000 Menschen entgegen, die die Tochter des bescheidenen Frankfurter Friseurmeisters Kilius auf ihrem Weg ins Eheglück sehen wollten. 94 Meter französische Spitze sollen für ihr Hochzeitskleid verarbeitet worden sein, das Ja-Wort des Paares wurde über Lautsprecher auf den Kirchenvorplatz übertragen, das mehrgängige Menü servierten 16 Kellner im Frack, als Höhepunkt gab es eine Eisbombe Marika, und das die Braut vom Gatten eine doppelreihige Perlenkette mit Smaragdverschluss und vom Schwiegerpapa Wertpapiere und eine Brillantarmbanduhr erhielt, war tags darauf in allen Zeitungen nachzulesen.

Ende der 1990er Jahre drehte Marika Kilius ihre Pirouetten vorzugsweise im Verborgenen. Die Zeiten, da sie als Show-Star mit Holiday on Ice um die Welt reiste, waren längst vorbei. Und Königin der Regenbogenpresse war sie auch nicht mehr. Nach drei gescheiterten Ehen konzentriert sie sich aufs Geschäftliche.

Und Hans-Jürgen Bäumler? Der lebt den größten Teil des Jahres an der Cote d Azur, baut Oliven an, und spielt gelegentlich Theater oder macht eine Fernsehsendung. Und einmal im Jahr zieht er die Schlittschuhe an, die, in denen er mit Marika Kilius Weltmeister geworden ist, und überreicht einer Läuferin auf der Eisbahn von Bad Liebenzell Blumen. Blumen vom Eisprinzen.

Autorin: Silke Bartlick
   
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