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25.10.1984: Barzel stürzt über Flick-Affäre
Seit 1964 war Rainer Barzel Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, 1971 erwarb er auch den CDU-Parteivorsitz. Als einige Abgeordnete der FDP der Regierung unter Willy Brandt die Gefolgschaft verweigerten, schien der Moment günstig zu einem konstruktiven Misstrauensantrag. Doch Rainer Barzel verfehlte sein Ziel Kanzler zu werden um zwei Stimmen. Willy Brandt löste das Parlament auf und wurde bei den Neuwahlen mit einer klaren Mehrheit von 36 Stimmen bestätigt.

Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl versuchte die schlechte Stimmung gegen Barzel für sich zu nutzen und hatte den Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch auf seiner Seite. Am 17. April 1973 legte Barzel sowohl den Partei- als auch den Fraktionsvorsitz nieder, offiziell weil die Fraktion seiner Empfehlung für einen UNO-Beitritt zu stimmen, nicht gefolgt war. Der Parteivorsitz war nun frei für Helmut Kohl.

Barzel schrieb derweil an von Brauchitsch, dass er seine Zukunft mit ihm erörtern wolle. Im August 1973 schloss er mit der Frankfurter Anwaltskanzlei Paul eine Vereinbarung über eine freie Mitarbeit. Ein wenig später unterzeichnete die Kanzlei einen Vertrag mit dem Flickkonzern. Bis 1980 erhielt Barzel für diverse wirtschaftspolitische Abhandlungen von der Kanzlei insgesamt umgerechnet knapp eine Mio. Euro. Flick überwies der Kanzlei im gleichen Zeitraum als voll absetzbare Betriebsausgabe die Summe von umgerechnet 875.000 Euro.

Spendenaffäre und Parteispenden

Der ganz große Skandal in der Flick-Spendenaffäre begann jedoch im Januar 1975, als Flick ein Aktienpaket von 29 Prozent des Daimler-Benz-Kapitals im Wert von umgerechnet knapp einer Milliarde Euro verkaufte. Für diesen Betrag wäre normalerweise über die Hälfte an Steuern zu zahlen gewesen. Ein Schlupfloch bot jedoch Paragraf 6b des Einkommensteuergesetzes, wonach ein Unternehmen seinen Gewinn dann nicht versteuern muss, wenn es diesen für eine "volkswirtschaftlich förderungswürdige" Investition wieder ausgibt. Sowohl der damalige Wirtschaftsminister Friderichs als auch sein damaliger Nachfolger Graf Lambsdorf entschieden, dass die Wiederanlage des Kapitals in andere Unternehmensaktien die volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit erfülle.

Flick-Manager von Brauchitsch bedachte zu der Zeit jeden Politiker von Rang mit stattlichen Geldbeträgen, so auch die Entscheidungsträger und Vermittler in Sachen "wirtschaftliche Förderungswürdigkeit". Auch der Vermerk "wg. Kohl" tauchte öfter im Kassenbuch auf. Zwei Drittel des Daimler-Benz-Aktienerlöses hatte Flick bis 1981 steuerfrei neu angelegt. Steuerersparnis: umgerechnet 420 Mio. Euro. Die Parteispenden des Konzerns summierten sich seit 1969 auf umgerechnet gute 12,5 Mio. Euro.

Im März 1983 wurde Rainer Barzel Bundestagspräsident. Doch da waren die Steuerfahnder der Flickschen Spendenaffäre schon auf der Spur. Im Juni 1984 wurde im Zuge der Ermittlungen ein Verfahren gegen die Anwaltskanzlei Paul eingeleitet, weil sie ein Scheingeschäft Flicks mit der Kanzlei vermuteten, das eine Vereinbarung zwischen Flick und Barzel verdecken sollte.

Steuerhinterziehung: Ja, Bestechlichkeit: Nein

So geriet Rainer Barzel bis Oktober 1984 zunehmend in den öffentlichen Verdacht, er habe sich 1973 Partei- und Fraktionsvorsitz mit Flick-Geld abkaufen lassen und die Kanzlei wissentlich für die Spendenwäsche genutzt. Vor dem CDU-Präsidium am 22. Oktober 1984 erklärte er: "Ich stehe auch moralisch unter falschrem Verdacht. Ich habe von Flick kein Geld bekommen."

Doch auch im Untersuchungsausschuss am 24. Oktober 1984 konnte Rainer Barzel den Verdacht nicht entkräften. Am nächsten Tag reichte er seinen Rücktritt ein. Die ehemaligen FDP-Wirtschaftsminister Graf Lambsdorf und Friderichs sowie Ex-Flick-Manager von Brauchitsch wurden später wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Vom Vorwurf der Bestechung bzw. Bestechlichkeit wurden jedoch alle Beteiligten freigesprochen.

Autorin: Henrike Scheidsbach
   
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