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4.6.1962: Lebenslänglich für Vera Brühne |
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"Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Ferbach Johann, verwitweter Facharbeiter, und Brühne, Vera Maria, geschiedene deutsche Hausfrau, sind schuldig in Tateinheit des gemeinsamen Doppelmordes. Sie werden zu lebenslanger Zuchthaushaft verurteilt."
"Aber ich bin doch unschuldig", stöhnte Vera Brühne, dann brach sie auf der Anklagebank zusammen. Der Mann neben ihr, Johann Ferbach, nahm das Urteil mit versteinertem Gesicht entgegen.
Es war der 4. Juni 1962. Die Urteilsbegründung las sich wie ein Filmdrehbuch: Danach waren Brühne und Ferbach am 19. April 1960 zur Villa des Münchner Arztes Dr. Praun gefahren, um ihn und seine Lebensgefährtin Elfriede Kloo zu ermorden. Vera Brühne war Prauns Geliebte gewesen und von ihm in einem Testament großzügig mit einem spanischen Landhaus bedacht worden. Aber nur, wenn Praun es nicht vorher verkaufen würde. Genau das aber hatte der Arzt vor - und seine Ex-Geliebte damit ein klares Motiv für den Mord. Ihr Jugendfreund Ferbach habe sich davon ein gemeinsames Leben auf dem spanischen Grundbesitz versprochen, hieß es.
Ein Krimi mit Schönheitsfehlern
Die Polizei sicherte am Tatort keine Spuren, Widersprüche wurden nicht aufgeklärt, die Münchner Staatsanwaltschaft schien es mit der Lösung dieses Falles eilig zu haben. Für sie kam nur die Erbin als Täterin infrage.
Brühne und Ferbach waren von drei Personen belastet worden. Brühnes Tochter Silvia hatte der Polizei erzählt, dass ihre Mutter ihr den Mord gebeichtet habe. Vor Gericht widerrief sie die Aussage. Zeuge Nummer Zwei war ein Mithäftling Ferbachs, Siegfried Schramm. Er sagte unter Eid aus, dass Ferbach ihm in der Zelle die Tat gestanden habe. Dritte Belastungszeugin war Renate Maier, die Sprechstundenhilfe des ermordeten Arztes. Sie beschwor, dass Praun sich am Gründonnerstag in seinem Haus mit Vera Brühne treffen wollte.
Geheimdienst, BND und Polizei
Als nach dem Urteil bekannt wurde, dass der Kronzeuge Schramm ein Polizeispitzel war, suchten Journalisten nach möglichen anderen Mördern von Dr. Praun. Sie fanden heraus, dass der Arzt, der eine Abtreibungspraxis betrieb, vor und nach 1945 Geheimdienstkontakte hatte und in Waffengeschäfte verwickelt war. Das bestätigte auch das Düsseldorfer Landeskriminalamt, das seine Ermittlungen aber urplötzlich nach München abgeben musste.
Warum, das wurde klar, als ein Zeuge auftrat, der vom Fach war. Roger Hendkes, Agent des BND. Er gab im September 1967 bei der Bonner Staatsanwaltschaft zu Protokoll, dass er noch Stunden nach der vom Gericht angenommenen Tatzeit den Arzt Dr. Praun lebend gesehen habe.
Am Karfreitag um 1.00 Uhr früh sei er mit seinem damaligen Chef, dem persönlichen Referenten des Verteidigungs-Ministers Franz-Josef Strauß, und einem dritten Mann zu Dr. Praun nach Pöcking gefahren. Geschossen habe jedoch der dritte, dessen Identität Hendkes noch nicht lüften wollte.
Rätsel bleiben
Diese Enthüllungen schlugen in der Öffentlichkeit wie eine Bombe ein. Haftentlassung und ein neues Verfahren für Brühne und Ferbach schienen so gut wie sicher. Doch es passierte nur Eines: Hendkes wurde gestoppt. Ein Münchner Gericht machte ihm wegen uneidlicher Falschaussage den Prozess. Die Strafe von umgerechnet rund 4.000 Euro sowie die Prozesskosten übernahm später der Bundesnachrichtendienst, und Hendkes musste sich verpflichten, sein Wissen künftig für sich zu behalten.
Andere Zeugen, die verblüffende Aussagen machten, wurden durch ihren überraschenden Tod an der weiteren Aufklärung gehindert. Prauns Sprechstundenhilfe Renate Maier, eine Kronzeugin der Anklage, war tot, kurz nachdem sie 1969 einem Reporter unter Tränen ihre Falschaussage in dem Prozess gestanden hatte. Ein Freund des BND-Agenten Roger Hendkes, der sich die Akte Dr. Praun beim BND besorgen wollte, wurde 1971 in einem Wald bei Pullach vergiftet aufgefunden.
Jahre später gab BND-Agent Hendkes einen Hinweis auf den dritten Mann. Hendkes behauptete, der Strauß-Vertraute Karl-Helmut Schnell habe bei der Ermordung Dr. Prauns die Fäden gezogen. Aber die Münchner Justiz interessierte sich nicht dafür, und für den einfachen Bürger war Vera Brühne von Anfang an schuldig nach dem Motto. "Wer in diesem Alter noch Männer hat, mordet auch Männer". Im Juli 1970 verstarb Johann Ferbach in Haft an Herzversagen. Vera Brühne wurde von Franz-Josef Strauß nach 18 Jahren Haft begnadigt.
Autorin: Mechthild Brockamp |
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