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15.12.1946: "rororo" erscheint |
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Von allen Leserbriefen, die Kurt Tucholsky je erhielt, soll er den eines Oberrealschülers aus Nürnberg am meisten gemocht haben. Artig hatte der junge Mann dem lieben Herrn Tucholsky erst seine Reverenz erwiesen, um dann umgehend den raschen Tod des Verehrten herbeizuwünschen: "Damit Ihre Bücher billiger werden, so wie Goethe zum Beispiel."
Dem Pennäler konnte einstweilen nicht geholfen werden, aber immerhin gab das kuriose Schreiben dem sprachmächtigen Spötter Anlass für ein Avis an seinen Verleger, "dem lieben Meister Rowohlt", das in der Forderung gipfelte: "Macht unsere Bücher billiger!"
Erst posthum, elf Jahre nach dem Freitod Tucholskys im schwedischen Exil im Dezember 1946, entsprach der Verlag dem Wunsch seines großen Autors - allerdings eher unfreiwillig.
Aus der Not eine Tugend
Die Not der Zeit erzwang eine Tugend - zum Nutzen aller Leser. Druckereien und Bindereien waren nämlich größtenteils zerstört, Papier kaum zu haben, an eine ordentliche Buchproduktion kaum zu denken. Da hatte Heinrich Maria Ledig-Rowohlt die fabelhafte Idee, Bücher im Zeitungsformat über Rotationsmaschinen laufen zu lassen und sie in einer Auflage von 100.000 Stück als Rowohlts Rotations-Romane unter das lesehungrige Volk zu bringen.
Umgerechnet 25 Cent kostete der Einzelband, und so machten die Deutschen Bekanntschaft mit Werken, die ihnen in zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft vorenthalten worden waren: Joseph Conrads "Taifun" und Ernest Hemingways "In einem andern Land", Anna Seghers "Das Siebte Kreuz" und Kurt Tucholskys "Schloss Gripsholm".
Das waren die ersten Titel der denkwürdigen Reihe, die dem findigen Verleger einen Verkaufserfolg ohnegleichen bescherten, allerdings 1948 wieder vom Markt verschwanden, weil die ärgsten Hindernisse für eine normale Buchproduktion überwunden waren.
Startauflage von 50.000 Exemplaren
Die konsequente Fortsetzung jenes für eine ausgehungerte Kulturnation revolutionären Konzepts hat Ledig-Rowohlt dann von einer Geschäftsreise durch die USA vom Produktions- und Vertriebssystem der Paperbacks mitgebracht.
Eine Fortsetzung, die Senior-Chef Ernst Rowohlt der Presse seinerzeit so beschrieb: "Wir drucken die Bände im Rotationsdruck, allerdings auf aufgebessertem Zeitungspapier, und lassen sie im Lumbeckverfahren binden. Das garantiert eine große Haltbarkeit des Rückens, die Bücher liegen flach auf, und da der deutsche Bücherkäufer stets gerne Halbleinenbände haben will, haben wir auch einen Halbleinenrücken angewandt."
Am 17. Juni 1950 erschienen in der ungewöhnlich hohen Startauflage von 50.000 Exemplaren die ersten vier rororo-Taschenbücher: Falladas "Kleiner Mann, was nun?", Rudyard Kiplings "Das Dschungelbuch", Kurt Tucholskys "Schloss Gripsholm" und "Am Abgrund des Lebens" von Graham Greene.
Volkswagen des Literaturbetriebs
Rowohlts Rotations-Romane waren ein Erfolg von Anfang an, das Taschenbuch in den 1950er-Jahren eine Art Volkswagen des Literaturbetriebs. Gleichwohl war das Konzept billige Massenware fürs Volk nicht unumstritten.
Die grellbunte Aufmachung, ein leseunfreundlicher Satzspiegel und die kleine Schrift machten das schutzumschlaglose Taschenbuch der qualitätsbewussten Kulturkritik verdächtig. Breite Empörung aber rief die Verquickung von Reklame und Literatur hervor, Werbung für Pfandbriefe und Zigaretten mitten in einem jedem Buch, die durchaus den Bezug zu dem sie umrahmenden Text suchte.
"Alle Männer dieses Buches rauchen", hieß es da etwa in Hemingways Fiesta. "Auch die reizende Lady Ashley, von ihren Freunden Brett genannt. Dies ermutigt uns, dem Raucher mit dem Wort FOX eine Zigarette zu nennen, deren Niveau dem eines guten Buches entspricht." Der Verlag hat die "Kulturschande" bestens verkraftet. Schon im Oktober 1950 waren 620.000 rororo-Taschenbücher verkauft, 1952 drei Millionen. 1953 machte sich der Taschenbuchbereich als hundertprozentige Rowohlt-Tochter selbstständig.
Autorin: Silke Bartlick |
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