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31.8.1943: "Frankfurter Zeitung" am Ende
Am 31. August 1943 erschien die letzte Ausgabe des Blattes. Auf persönliche Anordnung von Propagandaminister Goebbels wurde das publizistische Aushängeschild des NS-Regimes verboten:

Die Frankfurter Zeitung, dieses republikanisch-liberale Wirtschaftsblatt der untergehenden Bismarck-Ära, sie musste nach zehnjähriger Arbeit unterm Hakenkreuz die journalistischen Waffen strecken. Dabei war die "Frankfurter", wie sie liebevoll von ihren Lesern genannt wurde, in der Weimarer Zeit das tonangebende Organ der ersten Republik gewesen.

Den Nationalsozialisten blieb sie stets ein Dorn im Auge. Umso überraschender, dass die Zeitung nach 1933 weiter bestehen durfte. Fritz Sänger war damals ihr Berlin-Korrespondent und nach dem Ende des Nationalsozialismus Chef der Deutschen Presseagentur: "Die Presse wurde ganz und gar gleichgeschaltet, und es war unmöglich, dagegen anzukämpfen - mit Ausnahme etwa der Frankfurter Zeitung. Einige andere noch neben der Frankfurter Zeitung, was meistens vergessen wird. Zeitungen, von denen man glaubte, dass sie eine Hilfe sein könnten für den Nationalsozialismus als Visitenkarte nach draußen. Also so ganz einheitlich war ja damals das Bild nicht, wie das sehr oft dargestellt wird. Aber das sind Unterschiede, die man heute kaum noch erkennen kann."

Die Gleichschaltung der Medien im NS-Staat, sie war längst nicht so total wie oft behauptet wird. Zumal Goebbels besonders viel an der Frankfurter Zeitung lag, sollte sie ja den Nationalsozialismus für bürgerliche Kreise salonfähig machen.

Goebbels hoffte, dass man im Ausland ihr Erscheinen als Beleg für die Liberalität des Regimes werten würde. Und für anspruchsvolle Beiträge garantierten der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, die Publizisten Walter Dirks, Karl Korn und Dolf Sternberger. Im Feuilleton fanden sich die Namen von Linksintellektuellen wie Walter Benjamin, Ernst Bloch, Hermann Hesse oder Siegfried Kracauer: "In der Redaktion selber haben die Redakteure kaum gewechselt. Es sind einige neue hinzugekommen, Paul Sehte, Dolf Sternberger, ich war auch dabei. Weggegangen sind einige, mussten weggehen, weil sie Juden waren. Einige gingen weg, weil sie glaubten, dass sie das nicht durchstehen würden und nicht mitmachen könnten. Es sind einige hinzugekommen, aber nur ein einziger Fall bekannt geworden, wo der Mann Mitglied der NSDAP war. Der ist sehr schnell wieder verschwunden. Und so ist die Redaktion ein sehr geschlossener Kreis geblieben, in dem kein Verrat stattgefunden hat."

Kein Verrat, aber die Entlassung jüdischer Kollegen wurde von der Redaktion duldend hingenommen genauso wie die Arisierung des Betriebes. Als Organ einer gezähmten Opposition befand sich das Blatt in einem Zustand zwischen Opportunität und begrenzter Eigenständigkeit.

Mit Kriegsbeginn 1939 bestimmte das Verschweigen mehr und mehr das redaktionelle Tagesgeschäft. Subversives kam nur noch im Feuilleton zum Ausdruck, in einem Sprachstil, der sich deutlich von der vulgären Antisemitismus eines Völkischen Beobachters unterschied und der nicht-nationalsozialistischen Lesergemeinde eine gewisse intellektuelle Zuflucht bot.

Dolf Sternberger, damals Redakteur bei der Frankfurter Zeitung auf die Frage, ob es nicht doch Zugeständnisse an das NS-Regime: "Und so kann man auch den Kircher, das war der Hauptschriftleiter der Frankfurter Zeitung, als einen Artisten, der auf einem gewissen Drahtseil sich bewegte, bezeichnen. Aber er war halt kein so guter Artist wie Gründgens einer war. Er hat kolossal peinliche Konzessionen gemacht, so übertriebene, so aus Zynismus, aus Schnödigkeit: "Das liefere ich Euch!""

Auch die Journalisten der Frankfurter Zeitung haben durch ihre Arbeit dem NS-Regimes zusätzliche Kraft gegeben. Sie blieb das Feigenblatt des NS-Regimes gegenüber dem Ausland. Der Beitrag, der letztlich zur Schließung des Blattes führte, war ein beabsichtigtes Harakiri.

Der Aufsatz erschien am 23. März 1943, ein Jubiläumsartikel über den Mitgründer der NS-Bewegung Dietrich Eckart. Der einstige Mentor Hitlers und Erfinder der Parole "Deutschland, erwache!" wird als verbummeltes Pseudogenie ohne rechten Charakter beschrieben, sein literarisches Werk als eine einzige Phrasengeschwulst angeklagt. Zu guter Letzt kommt Eckarts Morphinabhängigkeit zur Sprache.

Wochen später das Blatt verboten, allerdings nicht wegen der Beschreibung Eckarts, sondern wegen der ungewollten Parallelen zum Morphinismus Hermann Görings. Offiziell begründete das Regime die Einstellung mit kriegswirtschaftlichen Maßnahmen.

Tatsächlich aber hatte am 31. August 1943 das Aushängeschild Frankfurter Zeitung gegenüber dem Ausland ausgedient. Rücksichten dieser Art erübrigten sich angesichts der deutschen Kriegsführung und dessen, was in Auschwitz und anderswo geschah.

Autor: Michael Marek
   
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