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4.6.1972: Angela Davis freigesprochen
Der Richterspruch im kalifornischen San Jose war nur noch Formsache. Kaum jemand zweifelte daran, dass Angela Davis an einer blutigen Geiselnahme, die sich 1970 zugetragen hatte, unschuldig war.

Angela Davis, eine Farbige mit ungewöhnlicher Karriere. 1944 geboren, wächst sie in Birmingham, Alabama, auf. Schwarze und Weiße stehen sich hier fast unversöhnlich gegenüber. Das begabte Mädchen wechselt mit 15 Jahren auf eine private High School bei New York. Eine Schule, in der auch farbige Kinder gefördert werden. Sie besteht mit Auszeichnung und bekommt ein Stipendium für die Brandeis-Universität im Bundesstaat Massachusetts. Sie studiert französische Literatur und vertieft ihr Wissen während eines zweijährigen Aufenthalts an der Pariser Sorbonne.

Auf Empfehlung von Herbert Marcuse, der in Brandeis lehrt, geht sie auch nach Frankfurt und arbeitet bei Adorno und Habermas. In Frankfurt setzt sie sich auch ausgiebig mit dem Kommunismus und den Werken Marx' auseinander.

1968 kehrt sie in die von Rassenunruhen geprägten Vereinigten Staaten zurück und tritt in die Kommunistische Partei, der CPUSA, ein. Kurze Zeit später erhält Angela Davis die Berufung als Philosophie-Dozentin an die renommierte Universität von Berkeley.

Die Frau in Hippiekleidung und mit Pilzkopf hat ausgemachte Gegner. Allen voran der kalifornische Gouverneur und Kommunistenhasser Ronald Reagan, der sich vergeblich für ihre Entlassung einsetzt.

Flucht, Verhaftung und Untersuchungshaft, das sind die nächsten Stationen der 25-Jährigen. Ihr Kampf für die Befreiung politischen Gefangener ist der tiefere Grund für den Anfang August 1970 gegen Angela Davis ausgestellten Haftbefehl. Sie wird in Verbindung gebracht mit den sogenannten Soledad Brothers, die ihren weißen Gefängnisaufseher umgebracht haben sollen.

Während einer Gerichtsverhandlung im kalifornischen San Rafael ereignet sich ein wie sich herausstellt misslungener Versuch, die Soledad Brothers freizupressen. Bei der Schießerei im Gerichtssaal werden vier Menschen getötet.

Hauptakteur des Befreiungsversuchs ist der 17-jährige Jonathan Jackson, ein Freund und Leibwächter von Angela Davis. Jackson wird bei der Schießerei mit der Polizei getötet. In der Hand hält er einen Revolver, der auf Angela Davis zugelassen ist.

Die Staatsanwaltschaft erlässt am 9. August, zwei Tage nach der Schießerei, einen Haftbefehl gegen Davis wegen Mitwisserschaft und krimineller Verschwörung. Sie wird vom FBI auf die Liste der zehn gefährlichsten Verbrecher der USA gesetzt. Die Philosophin taucht unter und wird wenige Wochen später in Manhattan gefasst.

Angela Davis: "Als ich die Hotellobby betrat, hatte ich sofort dieses bedrückende Gefühl von Polizei und FBI umgeben zu sein. Ich habe mir gut zugeredet, weil ich die ganze Zeit schon unter Verfolgungswahn litt. Angela, habe ich gesagt, beruhige dich. Das Gefühl kennst du doch. Und dann kamen aus allen Zimmern Männer auf mich zu, die alle nach mir griffen. Sie hielten mich fest und zogen mich in einen Raum. Dann rissen sie mir die Perücke vom Kopf und fragten: 'Sind sie Angela Davis?'"

Davis verbringt nun 16 Monate in Untersuchungshaft. 1972 beginnt der Prozess in San Jose. Das internationale Interesse ist gewaltig. In Zeiten des kalten Krieges wird eine offen auftretende Kommunistin und angebliche schwarze Militante der Prozess gemacht. Obwohl die Geschworenen allesamt weiß sind, sprechen sie Angela Davis am 4. Juni 1972 von der Anklage frei. Ihr Anwalt ist von der Rechtmäßigkeit des Prozesses überzeugt.

Branton: "Jeder gute Staatsanwalt hätte Angela Davis anklagen müssen, denn alle Waffen, die bei der Gefangenenbefreiung gefunden wurden, waren auf ihren Namen zugelassen. Es gab auch Indizien, dass sie kurz zuvor am Tatort war. Sie war nachweislich auch an der Kampagne für die Befreiung der Soledad Brothers beteiligt."

Seit ihrem Freispruch ist es um die Autorin, Feministin, Aktivistin etwas ruhiger geworden. Mitte der 1970er Jahre begann sie wieder zu lehren. Für politische Schlagzeilen sorgte die Leninpreisträgerin, als sie sich - wenn auch chancenlos - 1980 um das Amt des US-Vizepräsidenten bewarb.

Mit ihrer Kommunistischen Partei hat sie sich unterdessen überworfen und ist ausgetreten. Trotzdem bleiben ihr genügend Betätigungsfelder.

Angela Davis: "Ich habe genug zu tun. Ich bin aktiv gegen Rassismus und politische Repression. Ich engagiere mich für ein nationales Gesundheitsprojekt für schwarze Frauen. Ich unterrichte, ich schreibe."

Autor: Oliver Ramme
   
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