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30.4.1975: Saigon fällt
Bei strömendem Regen starten US-amerikanische Hubschrauber von ihren Flugzeugträgern in Richtung Saigon, dort warten die letzten verbliebenen US-Amerikaner und hochrangige Südvietnamesen verzweifelt auf Rettung. Es ist der 30. April 1975.

Während die Truppen Nordvietnams Saigon besetzen, herrscht rund um die US-Botschaft in der südvietnamesischen Hauptstadt Panik. Tausende von Menschen drängen sich an den Zäunen, US-Marines halten die Menge mit schussbereiten Waffen in Schach. Nur wenige Vietnamesen dürfen zum Landeplatz auf dem Dach der Botschaft. Der WDR-Korrespondent Dietrich Mummendey berichtete damals aus Saigon: "Es ist eine ganze Reihe von Korrespondenten hier geblieben. Es sind ja auch noch mehrere tausend Franzosen hier geblieben im Land. Das Rote Kreuz hat einige Gebäude zu internationalen Zonen erklärt. Und die französische Botschaft gibt ihren Staatsbürgern im Hospital und in der Botschaft Unterschlupf. Wahrscheinlich ist auch jetzt mit dem Abflug der letzten Hubschrauber, die jetzt gerade in die Nähe des Studios kamen und über Saigon kreisten, damit wahrscheinlich auch die letzte Möglichkeit, hier aus Saigon herauszukommen, vorbei."

Kaum ein anderes Ereignis hat in den 1960ern und 1970ern die Weltöffentlichkeit so bewegt wie der Vietnamkrieg. Für die Vereinigten Staaten endete der Konflikt mit der ersten militärischen Niederlage ihrer Geschichten.

Zugleich war Vietnam der erste TV-Krieg der Geschichte. Erstmals wurden die Grausamkeiten des Krieges zur "prime time" gezeigt, zur besten Fernsehzeit im Abendprogramm: das nackte, von Napalmbomben verbrannte vietnamesische Mädchen, der Kopfschuss auf einen gefangenen Vietcong durch den Saigoner Polizeipräsidenten.

Zwei Jahre vor der Einnahme Saigons, im Januar 1973, hatten die Außenminister Nordvietnams und der Vereinigten Staaten noch das Pariser Waffenstillstandsabkommen unterschrieben. Doch der Vertrag blieb wirkungslos. Nach Abzug der letzten US-Truppen versuchten alle Kriegsparteien, die von ihnen kontrollierten Gebiete mit Waffengewalt zu vergrößern. Als die USA auch ihre finanzielle Hilfe für Südvietnam einstellten, löste sich deren Armee rasch auf.

Die nordvietnamesische Offensive hatte einen Monat vor der Kapitulation Saigons begonnen. Die US-amerikanischen Militärs waren von den raschen Erfolgen Hanois und dem schwachen Widerstand der südvietnamesischen Verbände überrascht. Ein militärisches Eingreifen der USA hielt Präsident Gerald Ford wegen der Stimmung in Kongress und Öffentlichkeit für ausgeschlossen.

Die Evakuierung der 9000 US-Amerikaner und der vielen Vietnamesen, die für das Thieu-Regime oder für die USA gearbeitet hatten, wurde von Botschafter Graham Martin viel zu spät eingeleitet. Dennoch konnten die US-Streitkräfte neben den eigenen Bürgern noch 150.000 Vietnamesen ausfliegen. Im Zuge der überhastet ausgeführten Rettungsmaßnahmen spielten sich verzweifelte Szenen ab: Menschen klammerten sich an Hubschrauber und Tragflächen, bezahlten Phantasiepreise für Visa, die sie nicht bekamen, und viele erhielten überhaupt nicht die Möglichkeit außer Landes zu gehen.

Am 21. April 1975 schließlich trat Südvietnams Präsident Thieu zurück. Neun Tage später zogen Einheiten Nordvietnams und des Vietcong in Saigon ein und damit endete der dreißigjährige Krieg um die Macht in Indochina.

In Südvietnam hinterließ der Krieg 900.000 Waisen, eine Million Witwen und 200.000 Prostituierte. Über eine Million Vietnamesen und 58.000 US-Amerikaner starben im Verlauf des Krieges. Im Norden waren die städtischen Industriezentren und die landwirtschaftlichen Genossenschaften schwer beschädigt. Millionen Hektar Land durch Minen, Bomben und Herbizide unbrauchbar. Riesige Waldgebiete hatte das US-Militär durch Entlaubungsmittel und Pflanzgifte vernichtet.

Im Gedächtnis haften bleiben die Bilder von der panischen Flucht vom Dach der US-Botschaft - das Symbol einer demütigenden Niederlage. Während das Sternenbanner, das der letzte GI damals sauber gefaltet in einer Papiertüte, mit in die Niederlage nahm.

Autor: Michael Marek
   
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