Kalenderblatt dw.com
 
18.1.1992: "JFK" ausgezeichnet
Dallas, 22. November 1963. Auf dem Rücksitz seiner offenen Limousine bricht der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy zusammen - tödlich getroffen von den Schüssen Lee Harvey Oswalds. Dieser wird selbst zwei Tage später im Polizeirevier von Dallas vor laufenden Kameras von dem Nachtclubbesitzer Jack Ruby erschossen.

Oswald sei ein "lone gunman", ein pathologischer Einzelgänger ohne erkennbares Motiv gewesen. So zumindest das offizielle Fazit der Warren-Commission, einer Untersuchungskommission, die unter großem Zeitdruck die Hintergründe der Ermordung Kennedys im Auftrag von dessen Nachfolger Lyndon B. Johnson aufklären musste.

Filmische Wahrheitssuche zwischen Melodram und Politthriller

Unterdrückung von Beweismaterial, ungeklärte Widersprüche und falsche Schlussfolgerungen, so lauten dagegen Oliver Stones Vorwürfe, die er Anfang der 1990er-Jahre in seinem Film "JFK - Tatort Dallas" gegen diese offizielle Version erhob. Erbitterte Kontroversen in der Öffentlichkeit löste aus, dass sich der Autor und Regisseur für seine Kritik fast ausschließlich auf ein umstrittenes Buch von Jim Garrison stützte. Dieser Staatsanwalt aus New Orleans glaubte frühzeitig an eine Verschwörung, hatte seine eigene Glaubwürdigkeit jedoch durch dubiose Untersuchungsmethoden verspielt. In Stones Film wird Garrison zum furchtlos-idealistischen Kämpfer für die Wahrheit stilisiert, trotz einer diffamierenden Pressekampagne sowie tiefer Skepsis bei Familie und Mitarbeiter.

Virtuos ist die filmische Wahrheitssuche zwischen Melodram und Politthriller inszeniert, die man am 18. Januar 1992 mit dem Golden Globe für die beste Regie und im selben Jahr mit zwei Oscars für besten Schnitt und Kamera prämiert. Irritierend fügt Stone Einstellungen originaler Fernsehbilder und hochaufgelöster Amateurfilmaufnahmen mit Filmszenen zusammen, die im Pseudodokumentarstil nachgedreht wurden.

Unentwirrbar vermischen sich dadurch Dokumentation und Fiktion - Anlass für Presse und Politik, den Film als "kunstvolles Stück Propaganda" zu kritisieren und ihm eine "Verdrehung der Geschichte" vorzuwerfen. Tatsächlich suggeriert Stones Verfahrenswiese als historisches Faktum, was doch allenfalls seine fragwürdige Hypothese bleiben kann.

Ein fragwürdiger Mythos

Kein blindwütiger Einzeltäter, sondern eine von langer Hand geplante Verschwörung soll für das Attentat verantwortlich gewesen sein. Eine politisches Komplott, bei dem sich der militärisch-industrielle Komplex der USA mit CIA und FBI zusammentat, um dann mit Hilfe der Mafia und kubanischen Castro-Gegnern den Präsidenten zu beseitigen und dies erfolgreich zu vertuschen.

Offensichtliches Motiv sei gewesen, die Beendigung des Kalten Kriegs, ein friedliche Koexistenz mit Fidel Castro sowie den geplanten Rückzug aus Vietnam mit allen Mittel verhindern - für Oliver Stone die Ziele einer neuen Politik, zu der sich Präsident Kennedy angeblich gerade durchgerungen hatte.

Zum Schluss des Films entsteht so der Eindruck, ohne die Ermordung Kennedys hätte es keine Rassenunruhen, kein Watergate, vor allem keinen Vietnamkrieg mehr gegeben. Für diese historisch höchst zweifelhafte Inszenierung vom "Keim-Ereignis seiner Generation" aber zahlt Oliver Stone einen hohen Preis, denn der umstrittene "Chronist der 60er-Jahre" erschafft damit den filmischen Mythos vom unschuldigen Präsidenten eines ehemals besseren und gesunden Amerika. Ein fragwürdiger Mythos, in dem sich am Ende der Reagan-Ära jedoch die damalige Sehnsucht nach einer Gesellschaft ohne soziale Spaltung spiegelte.


Autor: Matthias Schmitz
   
Zitat des Tages
    
Zitat des Tages
Erziehung ist, die Kinder dahin zu bringen, die Fehler der Eltern zu wiederholen.
  > Arno Schmidt
> RSS Feed
  > Hilfe
Welcher Schauspieler spielte die Hauptrolle in "Der mit dem Wolf tanzt"?
  Fred Delmare
  Gojko Mitic
  Kevin Costner