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13.1.1993: Honecker freigelassen |
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Um 10.25 Uhr war es amtlich: Erich Honecker, der ehemalige Chef des Politbüros der DDR, war ein freier Mann und konnte die Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit verlassen. Der 80-jährige krebskranke Honecker musste sich wegen der Todesschüsse an Mauer und Grenze verantworten - und das Verfahren wurde eingestellt.
Beim zweiten Haftbefehl ging es lediglich um die Sonderversorgung der SED-Prominenz in der Politbürosiedlung Wandlitz. Erwartet wurde eine Entscheidung über das weitere Schicksal Erich Honeckers. Endlich trat um 10.25 Uhr Gerichtssprecher Bruno Rautenberg vor Kameras und Mikrofone, um die wenigen, aber so bedeutenden Sätze zu sprechen: "Das Verfahren gegen Erich Honecker wird eingestellt. Der Haftbefehl wird aufgehoben. Es besteht keinerlei Gefahr der Flucht."
Damit begann die Zeit des Wartens, der Spekulationen, der polizeilichen Täuschungsmanöver. Wann endlich sollte Honecker die Haftanstalt verlassen, durch welches Tor, wie sollte er zum Flughafen kommen, welche Maschine nehmen? Dann war es soweit, der Radio-Journalist Ulrich Leidholdt hielt die entscheidenden Sekunden fest: "15.03 Uhr, die Pforte sechs in Moabit öffnet sich, zwei Motorräder mit Blaulicht eskortieren weitere Polizeifahrzeuge - hinter einer verhangenen Scheibe in einem Auto sitzt offenbar Erich Honecker. 15.03 Uhr, Honecker ist ein freier Mann und auf dem Weg zum Flughafen Berlin-Tegel, auf dem Weg nach Santiago de Chile, wo er endlich mit seiner Familie wieder vereint ist."
Die Entlassung
Die Entlassung des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden stieß gerade bei den Menschen auf der Straße auf großes Unverständnis. Gemeinsam mit den Journalisten warteten Gegner und Opfer des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden vor der Haftanstalt Moabit. Als erste Reaktionen vor Ort hörte man: "Grenzenlose Schweinerei!" Und: "Das ist gegen die, die jahrelang gesessen haben, eine Schweinerei." Und auch:"...dann müssten alle Mauerschützen freigesprochen werden!"
Die Regie von Polizei und Berliner Staatsschutz vermochte es perfekt, die Wege des entlassenen Untersuchungsgefangenen zu verschleiern. Zwei verschiedene Konvois verließen zeitgleich die Haftanstalt - in einem wurde Honecker abgeschirmt zu einer Polizeikaserne in Flughafennähe gebracht. Dort wartete der 80-Jährige drei Stunden lang auf seinen Weitertransport zum Flughafen, der bereits von Kameraleuten und Fotografen belagert war.
Um 18.45 Uhr erreichte ein Konvoi von Polizeifahrzeugen den Flughafen - ein kurzer Blick ins Auto - Honecker saß darin. Auf einer entlegenen Position wartete der Lufthansa-Flug 2431 nach Frankfurt. Während Honecker an die Maschine herangefahren wurde, äußerte sich sein Anwalt Friedrich Wolf: "Er hat so ausgesehen wie immer. Er hat reagiert wie jeder Mensch. Er war nervös und spannungsgeladen und auch aufgeregt"
Abschied ohne historische Worte
In Tegel verzögerte sich der für 20.00 Uhr geplante Abflug nach Frankfurt, wo die Anschlussmaschine über Brasilien nach Chile wartete. Rechtsanwalt Friedrich Wolf beschrieb die letzten Minuten, die er mit seinem Mandanten Honecker verbrachte: "Er hat sich von mir verabschiedet und sich bedankt. Er hat keine historischen Worte gesprochen, die der Nachwelt überliefert werden müssen."
Um 20.15 Uhr bestieg der prominente Fluggast den Airbus, aus mehreren 100 Metern Entfernung nur schemenhaft kurz auf der vorderen Gangway zur ersten Klasse auszumachen. Um 20.34 hob die LH 2431 von der Piste ab - Erich Honecker hatte Berlin verlassen.
Autorin: Doris Bulau |
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