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31.12.1994: Auflösung der Treuhand |
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Keine Feier, kein Pomp, kein Glitter: Am letzten Tag des Jahres 1994 schraubt Birgit Breuel eigenhändig das Schild am Eingang der Berliner Treuhandanstalt ab und nimmt es als Souvenir mit nach Hause. Fast geräuschlos tritt die Treuhand nach viereinhalb Jahren von der Bühne ab - die mächtigste und zugleich umstrittenste Behörde im wiedervereinigten Deutschland. Die Bilanz von Birgit Breuel fällt eindeutig aus: "Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass hier in viereinhalb Jahren eine ganze Wirtschaft transformiert worden ist und sich heute in weiten Teilen im Wettbewerb behauptet, ist in einer unglaublich kurzen Zeit hier Marktwirtschaft eingeführt worden."
Von Planwirtschaft in soziale Marktwirtschaft
Die Aufgabe war ohne Beispiel: 14.000 Unternehmen der ehemaligen DDR galt es zu privatisieren; darüber hinaus Grundstücke, Flächen und Wälder - kurzum: die Umwandlung einer gesamten Volkswirtschaft von der Planwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft. Doch gerade das Soziale vermissen viele Menschen in den neuen Bundesländern. Sie sehen in der Treuhand oft den Buhmann und Plattmacher. Detlev Karsten Rohwedder, der im August 1990 das Amt des Treuhand-Präsidenten übernimmt, sagte: "Es wird mit dieser Institution verbunden alles das, was wir hier in der früheren DDR sehen an Not, an Aussichtslosigkeit, an Verbitterung und auch an existentieller Bedrohung der einzelnen Mitarbeiter."
Breuel folgt Rohwedder
Rohwedder, der die Treuhand den "Watschenmann der Nation" nennt, wird am Ostermontag des Jahres 1991 von Terroristen ermordet. Seine Nachfolgerin wird die frühere niedersächsische Wirtschaftsministerin Birgit Breuel. Sie übernimmt für ihre Arbeit die Grundsätze, die Rohwedder wenige Tage vor seinem Tod formuliert hat. Birgit Breuel: "Schnell privatisieren, weil wir der Auffassung sind, dass Privatisieren die beste Form der Sanierung ist. Das zweite Motto heißt: Entschlossen sanieren. Da, wo Zukunft möglich ist, soll Sanierung durchgeführt werden, um auch hier den Menschen mehr Mut und Hoffnung zu machen. Und das dritte Motto heißt: Behutsam stilllegen."
Betriebsbesetzung und Hungerstreiks
Doch genau an diesem Punkt entzündet sich die Wut vieler, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Von den über vier Millionen Arbeitnehmern, die noch in den Treuhand-Unternehmen beschäftigt sind, bleiben am Ende 1,5 Millionen übrig. Zum Symbol des Protestes gegen die Treuhand werden die Aktionen der Kalikumpel im thüringischen Bischofferode. Im Sommer 1993 wehren sie sich mit Betriebsbesetzung und Hungerstreiks gegen die Schließung ihrer Grube - umsonst.
Damals sagte ein Zeitzeuge: "Wir haben das ja nicht gemacht, um Medieninteresse zu erregen, sondern aus der Notwendigkeit heraus, dass hier etwas geschehen musste, um auf das Unrecht, dass hier geschehen ist, aufmerksam zu machen. Auf der anderen Seite bleibt das traurige Gefühl, dass dieser ganze Kampf nicht verhindern konnte, dass die Grube geschlossen wurde."
Bilanz
Doch das Problem ist ein anderes. Mit dem Tag der Währungsunion war die DDR pleite, selbst Vorzeigekombinate entpuppen sich als Industriemuseen, die Produktivität entspricht der eines Entwicklungslandes. DDR-Produkte will keiner mehr haben. Dass am Ende der Treuhand zumindest sogenannte industrielle Kerne übrig blieben - wie das High-Tech-Unternehmen Jenoptik in Jena, das Opel-Werk in Eisenach, das größte ostdeutsche Stahlwerk EKO oder auch die meisten der Ostsee-Werften - das mindestens muss als positive Bilanz genannt werden. Und die motivierten und gut ausgebildeten Mitarbeiter waren oftmals auch ein Pfand für eine gelungene Privatisierung.
Am Ende hinterließ die Treuhand einen Schuldenberg von umgerechnet rund 137 Milliarden Euro. Doch eine Alternative für die größte Holding der Wirtschaftsgeschichte hat es nie gegeben.
Autor: Henrik Böhme |
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