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21.12.1972: Deutsch-deutscher Grundlagenvertrag
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Für den ehemaligen Staatssekretär im Bundeskanzleramt Egon Bahr war der 21. Dezember 1972 ein historisches Datum: "Der Vertrag, der heute unterzeichnet worden ist, ist die Grundlage für das Verhältnis der beiden deutschen Staaten. Er ist das Fundament, auf dem das Gebäude ihrer Beziehungen wachsen soll zum Wohle der Menschen."

Grundlage für einen Wendepunkt

An diesem Tag unterschrieben sein DDR-Amtskollege Michael Kohl und er in Ost-Berlin den sogenannten Grundlagenvertrag. Dieses Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR sollte zu einem Wendepunkt für beide deutsche Staaten werden - vor allem was die Normalisierung ihrer Beziehungen betraf.

Der Inhalt des Vertrags war so kompliziert wie die Beziehungen, die hier geregelt wurden. In der Präambel, zehn Artikeln und einem umfangreichen Geflecht an Begleitdokumenten bekundeten die Vertragspartner die friedliche Co-Existenz beider deutscher Staaten. Erstmals akzeptierte die DDR die Rechte der Viermächte. Die Bundesregierung wurde als legitimer Vertreter West-Berlins anerkannt.

Der Austausch ständiger Vertretungen gehörte ebenso zum Vertragswerk wie Reiseerleichterungen, Familienzusammenführungen und der Ausbau neuer Transitwege zwischen Ost- und Westdeutschland - mit dem Ergebnis, dass es schon bald zu beachtlichen Umsatzsteigerungen im innerdeutschen Handel kam.

Freude und Misstrauen

Die DDR begrüßte zwar den Inhalt des Vertrages, fürchtete aber zugleich seine Folgen. Sie suchte nach internationaler Anerkennung und scheute die damit verbundenen Kontakte für die Bevölkerung. Daher legte die SED-Führung den Akzent auf die Zweistaatlichkeit, die im Grundlagenvertrag angedeutet wurde. Das Verhandlungsergebnis bewertete Erich Honecker damals vor der Volkskammer der DDR so: "Das Vertragswerk mit der BRD enthält die Anerkennung der Unverletzlichkeit der Grenzen und die Anerkennung der deutschen demokratischen Republik als eines unabhängigen souveränen Staates."

Kritik und Wertschätzung

In der Bundesrepublik führte der Grundlagenvertrag zu heftigen Auseinandersetzungen. Eine Klage Bayerns vor dem Bundesverfassungsgericht wurde jedoch Mitte 1973 abgewiesen - mit der Begründung, Grundlagenvertrag und Grundgesetz seien prinzipiell miteinander vereinbar. Für die CDU begründete der damalige Oppositionschef Rainer Barzel die ablehnende Haltung seiner Fraktion damals wie folgt: "Dieser Vertrag legitimiert ein Unrechtssystem und eine unmenschliche Grenze mit Tötungsanlagen. Wir können dies nicht mitmachen, denn dies erschwert den Kampf der Demokraten für die Sache der Freiheit in Deutschland und in Europa."

Die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt bewertete das natürlich ganz anders. Wandel durch Annäherung, so lautete das Ziel ihrer neuen Ostpolitik. Während des Kalten Kriegs wäre das undenkbar gewesen. Dennoch blieb der Grundlagenvertrag ein Provisorium, so lange - wie Bundeskanzler Brandt im Dezember 1972 hervorhob - bis das Fernziel "Deutsche Einheit" erreicht sei: "Zum ersten Mal werden Millionen von Menschen auf beiden Seiten der Grenze unmittelbar Erleichterungen zu teil, um die so lange vergeblich gerungen wurde. Zum ersten Mal stellen die beiden deutschen Staaten gemeinsam fest, dass die nationale Frage unseres Vaterlandes noch ungelöst ist."

Der 21. Dezember 1972 ist nicht als Jubeltag in die Geschichte eingegangen. Dennoch leitete die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags eine neue Entwicklung in der deutschen Nachkriegsgeschichte ein - eine Entwicklung, deren überraschendes Ende mit dem Fall der Mauer 1989 niemand voraussah.

Autor: Michael Marek
   
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