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3.12.1947: Marlon Brando entdeckt
"Sie müssen Stella sein. Ich bin Blanche."
"Ah, Sie sind Stellas Schwester!"
"Ja."
"Mmh. Guten Tag. Sagen Sie, wo ist meine Frau?"
"Äh, sie ist im Badezimmer."
(...)
"Hey, Stella, kommst du bald raus oder bist du ertrunken? Blanche, Sie werden mich sicher für nen groben Klotz halten, wie? Wissen Sie, Stella hat oft von Ihnen gesprochen."

Dieser grobe Klotz mit der animalischen Ausstrahlung im eng anliegenden, verschwitzten T-Shirt, dieser Stanley Kowalski im Film "Streetcar named Desire - Endstation Sehnsucht" ist Marlon Brando.

Drei Jahre zuvor, am 3. Dezember 1947, hatte der gerade 23-Jährige den primitiven aber ehrlichen Charakter im Tennessee Williams Stück am Broadway gespielt und das New Yorker Theaterpublikum begeistert. Nun also der Film und damit der endgültige Durchbruch, die erste Oscar-Nominierung.

Marlon Brando, der ungestüme, undisziplierte Junge aus Omaha, Sohn aus einer durch Alkoholismus beider Eltern zerrütteten Ehe, spielte den Stanley Kowalski ganz in der damals neuen Weise des "Method Acting". Heraus kam der Brando-Stil: abgehackte Satzbrocken, das berühmte Murmeln statt klarer Diktion und ein ordinärer Touch, der außer Kontrolle geriet, sowohl auf der Bühne als auch im privaten Leben.

"Hey Stella! Stella, komm zu mir! Stella! Stella Liebling, verlass mich nicht!"

Dieser Typ Kowalski wurde zum Charakter-Rebellen der 1950er-Jahre. Brando spielte in einer Klasse mit James Dean und dem verletzbareren Montgomery Clift. Nach "Endstation Sehnsucht" wird Brando 1953 zum "Wild One" und zum Halbstarken in "On the Waterfront - Die Faust im Nacken". Diesmal gibt es den Oscar. Dann die Trendwende: aus dem Rebellen wird plötzlich der junge Liebhaber, der sogar singen kann.

Brando ist in jenen Jahren der Superstar, der sich alles erlauben kann. Privat sorgt er immer wieder für Schlagzeilen. Politisch tritt er für ein Ende der Rassenschranken in den Südstaaten ein, ist leidenschaftlicher Liberaler, der die Zusammenarbeit mit seinem Entdecker, Streetcar-Regisseur Elia Kazan, verweigert, als Kazan vor dem McCarthy Ausschuss tatsächliche und vermeintliche Kommunisten in Hollywood outet.

In den 1960er-Jahren dreht Brando dann einen Flop nach dem anderen. Der eitle, immer störischer werdende Star zieht sich zurück. Zurück auf seine eigene Südseeinsel bei Tahiti, wo er bei den Dreharbeiten zu "Meuterei auf der Bounty" 1962 seine spätere dritte Ehefrau kennenlernte. 1972 dann das Comeback:

Aus "Der Pate": "Don Corleone, Sie haben einmal gesagt, der Tag würde kommen, an dem Tessio und ich unsere eigenen Familien gründen werden. Ich habe nie an so etwas gedacht, aber jetzt bitte ich um ihre Erlaubnis. Frag Michael, wenn er Euch die Erlaubnis gibt, dann habt ihr meinen Segen. (...) Habt ihr Vertrauen in mein Urteil? Kann ich mich auf Euch verlassen? Dann müßt ihr Michaels Freunde sein. Tut, was er sagt. (...) Tom, ich hab Michael beraten. Ich habe nie gesagt, du wärst ein schlechter Consilieri. Michael hat mein Vertrauen. Es gibt Gründe, warum du an dem, was Michael vorhat nicht teilnehmen sollst."

Als Mafiaboss Don Corleone holt ihn Jungregisseur Francis Ford Coppola auf die Leinwand und zum Erfolg zurück. Das Brando-Murmeln wird legendär und mit einem zweiten Oscar belohnt. Brando verweigert den Preis und prangert stattdessen auf der Verleihung die US-Politik gegenüber den Indianern an.

Dem Eklat folgt der Filmskandal: In "Der letzte Tango von Paris" gibt es umstrittene Sexszenen des alternden Stars. Doch Brando hat stets genau das, den Skandal, die Herausforderung, die Provokation geliebt. Der Mann, der seine Zunft als "empty and useless profession" verachtet, fordert für immer kürzere Auftritte immer höhere Gagen. Sei es als Vater von Supermann oder als Colonel Kurtz in "Apocalypse Now". Zuletzt, 1998, sah man ihn in "Free Money" als den Schweden.

In diesem Film war Marlon Brando alt geworden und längst kein Rebell mehr; aber vielleicht hat dieses Image auch nie richtig gestimmt, denn unter der aufrührerischen Schale steckte stets auch der verwundbare, der nach Aufmerksamkeit heischende Junge, der in seiner Biografie zum Schluss schreibt: "Ich werde nie müde, auf das nächste kleine Wunder zu warten."


Autor: Jens Teschke
   
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