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28.11.1919: Eröffnung des Großen Schauspielhauses Berlin |
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"Die Leidenschaft, Theater zu schauen, Theater zu spielen, ist ein Elementartrieb des Menschen. Und dieser Trieb wird Schauspieler und Zuschauer immer wieder zum Spiel zusammenführen und jenes höchste, allein seligmachende Theater schaffen." (Max Reinhardt)
Kein Mensch auf der Welt ist von diesem Gedanken jemals so beseelt wie der Regisseur Max Reinhardt. Seine Inszenierungen sind legendär. Wer Anfang des 20. Jahrhunderts als Schauspieler Erfolg haben will, muss bei Reinhardt gespielt haben. In Berlin leitet Reinhardt drei Theater und eine eigene Schauspielschule. Nicht genug für den Theaterzauberer, er will alle Menschen ins Theater bringen. Für seine Vision braucht er ein neues Haus, etwas, dass es noch nie gegeben hat.
"Das Neue war ein funktionierendes Massentheater, weil nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieges neue Schichten für das Theater gewonnen werden sollten. Man wollte die Besucher in Massen ins Theater führen, und dazu brauchte man einen riesigen Raum." Dr. Gerald Köhler vom Theaterwissenschaftlichen Institut der Universität Köln beschreibt die neue Spielstätte. Max Reinhard lässt sie in einem ehemaligen Zirkus in Berlin errichten. Er nennt sie "Großes Schauspielhaus". Der Bau Schiffbauerdamm / Ecke Friedrichstraße ist eine Art kuppelüberwölbtes Amphitheater, 5.000 Menschen finden darin Platz. Die ehemalige Manege unter der Kuppel ist die Hauptspielfläche. Reinhardt fügt ihr noch eine Guckkastenbühne an. Außerdem können variable Spielflächen in unterschiedlichen Höhen und Positionen aufgebaut werden. Die Stuhlreihen der Zuschauer umgeben die Spiel-Räume.
Dr. Gerald Köhler: "Da sieht man, dass man nicht mehr trennen kann, wo beginnt das Publikum und wo sind noch Schauspieler tätig. Eigentlich die Intention, so zu spielen, dass die Trennung zwischen Darstellern und Zuschauern aufgelöst wird, eigentlich im Sinne eines kultischen Ereignisses."
So eröffnet auch ein kultisches Werk am 28. November 1919 den Spielbetrieb des Großen Schauspielhauses. Max Reinhardt gibt die Orestie des Aischylos. Auf der Bühne stehen die bedeutendsten Darsteller der Zeit. Die Hauptpartien gestalten Werner Krauss und Paul Hartmann. Der neue Theaterbau ist mehr als nur Spielort, er spielt mit. In der Kuppel sind Glühlämpchen zu Sternbildern angeordnet. Es entsteht die Illusion des griechischen Nachthimmels; überhaupt lebt das Gebäude von Licht.
Dr. Gerald Köhler: "Hier war es so, dass die tragenden Säulen im Foyer z.B. durch eingearbeitete Lichtquellen schon so einen vegetabil-organischen Eindruck ergaben, dass man vermeinte, in einem Gebäude zu sein, dass organisch gewachsen sei."
Die Innenarchitektur des Großen Schauspielhauses ist ein Werk des expressionistischen Architekten Hans Poelzig. Er gestaltet den Riesenraum mit stalaktitenartigen Elementen aus. Rundbogenreihen, die nicht, wie gewöhnlich, auf dem Boden stehen, sondern kreisförmig von der Decke und den Wänden hängen. Dem Haus trägt sein futuristischer Look den Spitznamen "Tropfsteinhöhle" ein, wie geschaffen für märchenhafte Inszenierungen.
Aus den riesigen Dimensionen ergeben sich Probleme. Die Schauspieler können den Raum mit ihren Stimmen nicht füllen und es gibt nicht genug Stücke, die sich für die phantastische Kulisse eignen. Nach nur fünf Jahren übergibt Reinhardt sein Großes Schauspielhaus an einen Revueproduzenten.
Ab 1947 heißt das Theater "Friedrichstadtpalast". 1980 wird es abgerissen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entsteht der "Neue Friedrichstadtpalast", das Experiment "Großes Schauspielhaus" ist gescheitert. Geblieben ist die Vision des Max Reinhardt: "Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters. Es ist der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davongemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiter zu spielen."
Autorin: Catrin Möderler |
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