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2.3.1983: Bachmeier-Urteil
Marianne Bachmeier, 13 Jahre nachdem sie den Mörder ihrer Tochter Anna im Gerichtssaal erschossen hat, zeigte kein Anzeichen von Reue. In einem Interview sagte Bachmeier damals auf die Frage, ob ihr die Tat leid tue: "Nein, überhaupt nicht! Das wäre ja wohl zuviel verlangt." Selbstbewusst erzählte die eloquente, etwas überdrehte, schöne Frau damals einem Radiomoderator von ihrem neuen Leben in Sizilien. Dorthin war sie nach der Haft für den Mord an dem Triebtäter Klaus Grabowski, und einem Zwischenaufenthalt in Nigeria geflohen. Deutschland konnte sie nicht mehr ertragen, vor allem nicht mehr Lübeck, wo alles begann. In demselben Interview sagte Marianne Bachmeier: "Für mich ist es eine Mörderstadt. Lübeck kann ganz schön sein. Aber es ist für mich mit der Erinnerung an den Prozess verbunden."

Lübeck, hier hat Marianne Bachmeier zusammen mit ihrer siebenjährigen Tochter Anna gelebt - bis das Kind Klaus Grabowski in die Hände fiel, der sich an dem Mädchen sexuell verging und sie dann umbrachte. Grabowski war wegen sexueller Belästigung vorbestraft und hatte sich entmannen lassen, um aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Trotzdem wurden ihm, als er eine neue Freundin hatte, männliche Hormone gespritzt, die sein Triebleben wieder herstellten.

Versäumnisse der zuständigen Richter, Ärzte und Sozialarbeiter, die während des neuen Prozesses aufgerollt wurden. Marianne Bachmeier war dabei: "Ich wollte nicht zu dem Prozess. Ich musste aussagen über den Charakter meiner Tochter. Es wurde sogar mit Beugehaft gedroht. Das war eine Provokation. Da muss man sich nicht wundern, wenn was passiert."

Selbstjustiz mit einer Beretta

Marianne Bachmeier trat am ersten Prozesstag von hinten auf den angeklagten Grabowski zu, zog eine Beretta Kaliber 22 aus ihrer weiten Hosentasche, feuerte achtmal ab, traf sieben Mal. Grabowski starb, Marianne Bachmeier wurde festgenommen und wegen Mordes angeklagt. Der Prozess machte sie zum Star, die Berichte in den Medien teilten die Bevölkerung: Ein Fall von Selbstjustiz, den Deutschland so noch nicht erlebt hat. Die Zeitungen, Zeitschriften und Sender rissen sich um die Bachmann, in dem Magazin "Stern" wurde ihr Leben in 13 Folgen gedruckt, zwei Spielfilme über die Mutter, die ihre Tochter rächte, wurden geplant.

"Ich habe nur positive Briefe bekommen. Regelrecht Fan-Post. Die Menschen hatten sehr viel Verständnis für mich," sagte Marianne Bachmeier später. Aber es gab auch die andere Reaktion. Das Leben der Marianne Bachmeier lag offen vor allen, die lesen, hören oder sehen konnten: eine unglückliche Kindheit, mit einem Vater der Mitglied der Waffen-SS war, Strenge, Demütigungen, Vergewaltigung, Flucht aus der Enge, erste Schwangerschaft mit 16, eine zweite mit 18 Jahren, beide Kinder wurden zur Adoption freigegeben.

Auch Anna, das dritte Mädchen sollte zu Pflegeltern, Marianne Bachmeier wollte die Verantwortung für ihre Tochter nicht mehr länger übernehmen. Zusammen mit Annas Vater betrieb sie in Lübeck ein Lokal. Ihre Stammgäste waren Hausbesetzer, Kernkraftgegner und Aussteiger. Marianne gehörte zur Szene, kein Leben für ein kleines Kind? War die Bachmeier eine "richtige" Mutter, oder ein Flittchen? Fragen, die damals nicht nur die Boulevardpresse stellte. Das Gericht aber musste über Mord oder Totschlag entscheiden, sollte beurteilen, ob Marianne Bachmeier aus Heimtücke geschossen hat, oder aus emotionaler Erschütterung.

Sechs Jahre Haft - Keine Reue

"Man kann Mord oder Totschlag nie über einen Kamm scheren. Dann wäre jeder Soldat ein Mörder. Für mich ist vor allem das "Wie" wichtig. Ich musste zuhören, als der Mörder meiner Tochter erzählte, wie er sie umbrachte. Das Tuch um den Hals immer fester zuzog. Da habe ich geschossen," so Marianne Bachmeier später.

Die Lübecker Richter entschieden auf Totschlag und verurteilten Marianne Bachmeier zu sechs Jahren Haft. Bereut hat sie die Tat nie. Aber Deutschland für immer den Rücken gekehrt. Zuletzt arbeitete sie als Sterbehelferin in Sizilien und schrieb ein Buch über ihr Leben. 1996 starb Marianne Bachmeier an Krebs.

Autorin: Gerda Meuer
   
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