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6.2.1968: Zwei deutsche Olympia-Teams |
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Er wurde von Jahr zu Jahr tiefer: Der von der Weltpolitik als Folge des Zweiten Weltkriegs mitten durch Deutschland gezogene Graben zwischen zwei völlig unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. Der Mauerbau 1961 machte dann menschliche Kontakte zwischen West- und Ostdeutschland fast unmöglich.
Eine der letzten Brücken im zerrissenen Deutschland war der Sport. Zwar hatte das Internationale Olympische Komitee der endgültigen Trennung der olympischen Organisation in Deutschland 1955 auf seiner Session in Paris zugestimmt. Neben dem NOK der westlichen Bundesrepublik Deutschland akzeptierte es nun auch offiziell ein NOK der östlichen Deutschen Demokratischen Republik. Aber es verpflichtete die beiden deutschen olympischen Komitees über alle politischen, staatlichen Gegensätze hinweg weiterhin zur Bildung einheitlicher Olympiamannschaften in den Jahren 1956, 1960 und 1964.
Dahinter stand der konservative US-amerikanische IOC-Präsident Avery Brundage, der sich nicht damit abfinden wollte, dass Deutschland endgültig ein geteiltes Land sein sollte. Doch als dann Anfang der 1960er-Jahre die Heftigkeit der deutsch-deutschen Querelen im Zusammenhang mit der Aufstellung gesamtdeutscher Olympiamannschaften Überhand nahm, bröckelte Brundages Gefolgschaft im IOC, und es schwand in internationalen Sportkreisen die Bereitschaft, beim Schlichten deutscher Probleme die Schiedsrichterrolle zu übernehmen.
Anpassung an Realität
"Na ja, und dann kam der Tag, in Madrid, an dem nun allen offenbar wurde: Die Politik geht andere Wege. Es wird kein wiedervereintes Deutschland - zumindest in absehbarer Zukunft - geben. Auch der Westen will das nicht. Es ist dann nicht Aufgabe einer Olympischen Idee, etwas Irreales weiterzuführen. So kam es zur Trennung der gesamtdeutschen Mannschaft. Das war im ersten Augenblick ein harter Schlag, aber im Grunde nicht unerwartet und im Grunde auch ein Anpassen an die Realität", so erinnerte sich Willi Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1961 und 1992, an die IOC-Entscheidung am 8. Oktober 1965.
Mit 44 gegen vier Stimmen sprachen sich die IOC-Mitglieder auf ihrer Session in Madrid gegen die letzte öffentliche Gemeinsamkeit zwischen den beiden damals existierenden deutschen Staaten aus. Der DDR wurde für 1968 die Aufstellung eigenständiger Olympiamannschaften gestattet.
In die Arenen von Grenoble bei den Winterspielen und Mexiko bei den Sommerspielen zogen erstmals zwei deutsche Teams ein. Hinter dem Schild Deutschland marschierten die Athleten aus der westlichen Bundesrepublik Deutschland. Hinter dem Schild Ost- Deutschland betraten die Sportler der DDR die Stadien. Angesichts der deutschen Spaltung wirkten die in sich verschlungenen fünf olympischen Ringe auf den schwarz-rot-goldenen deutschen Fahnen wie eine Karikatur.
Geteilt nach München
In der DDR bejubelte die sozialistische Staatsführung die IOC-Entscheidung - betreffend das Ende der olympischen deutschen Einheit - als einen strategisch wichtigen Erfolg im Kampf um die weltweite völkerrechtliche Anerkennung des zweiten deutschen Staates DDR.
Wie der 1996 verstorbene Willi Daume auf die IOC-Entscheidung von Madrid reagierte, sagte Walther Tröger, damals Daumes Generalsekretär und bis 2002 sein Nachfolger auf dem Präsidentenstuhl: "Nachdem die Session des IOC in Madrid entschieden hatte, die gesamtdeutsche Mannschaft würde nicht weiter bestehen, hat Willi Daume das als Niederlage angesehen, die es nicht für ihn war, aber für unser Anliegen, noch als gemeinsames Deutschland aufzutreten. Doch dann hat er gesagt: Da müssen wir etwas entgegensetzen. Seine Idee war es, eine Bewerbung für Deutschland zu platzieren."
Tatsächlich erhielt München nur sieben Monate später vom IOC den Zuschlag für 1972. Willi Daume interpretierte die IOC-Entscheidung zugunsten Münchens als Anerkennung der humanitären Leistungen der westdeutschen Sportfunktionäre im Bemühen um den Erhalt der deutschen Einheit.
Autor: Hanspeter Detmer |
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