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5.2.1916: Geburtsstunde des Dadaismus
"Dada ist das Produkt der dialektischen Spannung zwischen einem reduktiven und einem kreativen Impetus künstlerischen Schaffens", so beschrieb es die Kunsthistorikerin Karin Thomas, aber man kann es auch anders ausdrücken: "Dada ist das Leben ohne Pantoffeln und Parallelen, das für und gegen die Einheit ist und entschieden gegen die Zukunft." Denn: "Kunst ist nicht ernst" proklamierte der Dichter Tristan Tzara.

Am 5. Februar 1916 lud Hugo Ball zur ersten Soiree seines "Cabaret Voltaire" in der Züricher Altstadt. "Schöne Dinge" wollte er dort machen. Er bat Künstler wie Hans Arp um Kunstwerke und Dichter wie Tristan Tzara oder Richard Huelsenbeck um poetische Worte. Da entstanden Kompositionen wie etwa die drei Variationen über ein vorgegebenes Motiv in drei Sprachen, das erste dadaistische Simultangedicht mit dem Titel: "Der Admiral versucht ein Haus zu mieten".

Spaß und Nonsens hatten einen ernsten Hintergrund. Vor der Tür wütete der Erste Weltkrieg. Maler, Dichter, Kriegsgegner, Philosophen und Musiker aller Nationalitäten trafen sich beim "Cabaret Voltaire", auf neutralem Schweizer Boden. Sie waren gegen die marode kleinbürgerliche Gesellschaft, gegen Autoritäten in Politik und Kirche und nicht zuletzt gegen den etablierten Kunstbetrieb, wie Raimund Meyer, 1994 zuständig für die große Ausstellung Dada Global" in Zürich, erläuterte: "Dada ist, dass ich das zerschlage, was bis dahin Bestand hatte, also die Ölfarbe nicht mehr brauche für das Bild, die Sprache nicht mehr brauche, so wie sie gebraucht wurde für die Literatur."

Kunst: Zufall der Natur

Die Kunst sollte dem Zufall der Natur überlassen werden. Wie zufällig kombinierte man gefundene Wörter, Buchstaben, Silben. Wie zufällig entstanden Collagen aus Farben, Stoffen, Worten, Bewegungen und Tönen. Wie zufällig war der Name Dada entstanden, beim Durchblättern eines Wörterbuchs. Dada war offen für alles und alle.

Eine bestimmte Stilrichtung, eine bestimmte Schule gab es nicht. Doch gerade das führte zum Streit mit den Surrealisten, die zwar mit Dada liebäugelten, aber klare Leitsätze forderten. Am 9. April 1919 fand die Dadabewegung in Zürich ihren Höhepunkt und Abschluss in einer groß angelegten Totalkunstschau mit Simultangedichten und Maskentanz nach Zwölftonmusik.

Außerhalb der Schweiz aber lebte Dada weiter. In New York erklärte Marcel Duchamp Gebrauchsgegenstände zu Kunstobjekten. In Berlin gründete Huelsenbeck den sozialkritisch orientierten "Club Dada". Dem gehörte der Dichter und Klangcollageur Kurt Schwitters zwar nicht an, dennoch ist sein Name eng mit Dada verbunden, seine Ursonate eines der bekanntesten Dadaistischen Werke.

Geisteshaltung in Museumshülle

Raimund Meyer zu Dada als Geisteshaltung: "Wenn ich mir Dada als Geisteshaltung vorstelle, so ist das etwas, das in uns vorhanden ist. Wenn ich zurück denke, Zürich 1980 die Jugendunruhen, ich denke dort wurde Dada auf eine sehr handfeste Art auf der Straße wieder deutlich, also dass ich etwas grundsätzlich in Frage stelle, radikal attackiere und mir alle Mittel dafür nehme."

Frei nach Dada: Wenn die Welt in Trümmern liegt, ist jedes Mittel erlaubt. Geblieben ist auch, wogegen sich die Dadaisten stets gewehrt haben: Der etablierte Kunst- und Literaturbetrieb. Er hat Dada vereinnahmt, hat die Anti-Kunst zur Kunst erklärt. Und so lebt Dada auch im Schutz einer Museumshülle weiter, konserviert, für ewig jung.

Autorin: Gaby Reucher
   
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