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3.2.1947: Das erste CDU-Programm
Ein kalter Wintertag. Nachkriegszeit. Deutschland zerstört, in Zonen aufgeteilt. Warum waren sie, die Mitglieder des Zonenausschusses der CDU, ausgerechnet nach Ahlen gekommen - jener Stadt im Münsterland, die schon einmal 1870 Schlagzeilen gemacht hatte? Damals hatte sich die (katholische) Zentrumspartei in Ahlen getroffen, um sich ein soziales Programm zu geben, in dem die Gleichstellung von Grundbesitz, Arbeit und Kapital festgeschrieben wurde.

Warmer Saal und Essen

Im Pensionat St. Michael, einem Mädchen-Gymnasium, trafen sie sich. Es diente im Zeiten Weltkrieg als Lazarett. Der Chef dieses Lazaretts hatte sich wenige Wochen vor Kriegsende gegen die Nationalsozialisten gewandt und die Stadt den einrückenden US-Amerikanern übergeben. So blieb sie weitgehend verschont vor Zerstörungen. Deshalb gab es einen warmen Saal dort - und Essen auch. Und dort in Ahlen sollte aus den Begriffen christlich und sozialistisch, Vergesellschaftung und Privateigentum ein Programm geschrieben werden.

Christliche Verantwortung

Bei den Dominikanern in Walberberg bei Köln übten sich einige von ihnen in christlicher Verantwortung. Politisch bedeutete das: Nie wieder durfte es zu einem Pakt zwischen Regierung und Kapital kommen. Und so heißt es im Ahlener Programm gleich zu Beginn: "Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen."

Dem Menschen dienen

Das Monopol des Bergbaus und der Schlüsselindustrien, die während des Nationalsozialismus undurchsichtig und unkontrollierbar geworden waren, musste beseitigt werden. Der Einfluss der Banken und Großbanken auf die Industrie und damit die wirtschaftliche und politische Macht in den Händen einiger weniger sollte nie mehr möglich sein. Wirtschaft musste dem Menschen dienen; Ausgangspunkt aller Wirtschaft sollte die Anerkennung der Persönlichkeit sein.

Wörtlich fordern die Christdemokraten im Ahlener Programm von 1947: "Konzerne und ähnliche Wirtschaftsgebilde (...) sind zu entflechten und in selbständige Einzelunternehmungen zu überführen (...) Entsprechende Kartellgesetze (müssen) erlassen werden. (...) Darüber hinaus soll (...) das machtverteilende Prinzip eingeführt werden, damit jede mit dem Gemeinwohl unverträgliche Beherrschung wesentlicher Wirtschaftszweige durch den Staat, Privatpersonen oder Gruppen ausgeschlossen wird. Die Kohlenbergwerke (...) sind zu vergesellschaften. Auch bei der eisenschaffenden Großindustrie ist der Weg der Vergesellschaftung zu beschreiten. Das Genossenschaftswesen ist mit aller Kraft auszubauen. Die Kontrolle (...) des Geld- und Bankwesens muss (...) ausgebaut werden."

Der Geist von Ahlen

Das Ahlener Programm war nie für die Ewigkeit gedacht, auch wenn sich das mancher gewünscht hatte. Es war lediglich eine programmatische Erklärung der Christdemokraten in der britischen Zone, die freilich als Grundlage diente für andere Programme. Mit der Einführung der sozialen Marktwirtschaft durch den ersten Bundeswirtschaftsminister, den Franken Ludwig Erhard, verblasste die rheinisch-westfälische Idee vom christlich-sozialistischen Deutschland. Aber in den CDU-Sozialausschüssen lebte der Geist von Ahlen weiter.


Autor: Claus-Dieter Gersch
   
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