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19.12.1973: DDR-Devisengesetz erlassen
Mit umgerechnet rund 25 Milliarden Euro stand die damalige DDR kurz vor ihrem Zusammenbruch in der Kreide. Allein der Schuldendienst machte im letzten Jahr der SED-Herrschaft 4,5 Milliarden Dollar aus - weit mehr als die Hälfte der sowieso schon dürftigen Exporterlöse.

Das Debakel war vorauszusehen, denn schon 1973 legte Günter Ehrensperger, führender Finanzexperte im Zentralkomitee eine Hochrechnung vor, wonach die Exportschulden bis 1980 auf 20 Milliarden Valutamark steigen würden - die Währungseinheit des Exporthandels entsprach praktisch damals der D-Mark, also nach Einführung des Euro umgerechnet 10 Milliarden Euro. Es war die letzte Rechnung dieser Art, Erich Honecker persönlich ordnete die Vernichtung der Unterlagen an.

Doch das half alles nichts: Der Wettlauf gegen die Konsumwelt des Westens konnte nur auf Pump geschehen und die Abhängigkeit vom Westen wurde immer größer. Also mussten - auf Gedeih und Verderb - mehr Devisen her, denn die eigene Währung war nicht konvertierbar und somit kein Zahlungsmittel im internationalen Handel. Die DDR-Mark verkam zum Spielgeld.

Devisengesetz im Eilverfahren

Als erste Maßnahme verdoppelte die Führung den Zwangsumtausch für Besucher aus der Bundesrepublik und anderen westlichen Ländern bei Einreise in die DDR. Im Eilverfahren zimmerten Plankommission, Außenhandelsministerium und Staatsbank ein Gesetz zusammen, das den Besitz, Erwerb und Umlauf von Devisen regeln sollte - am 19. Dezember 1973 war es fertig.

Zu dieser Zeit hatte sich im innerdeutschen Verhältnis gerade viel getan: Der Grundlagenvertrag war im Sommer in Kraft getreten, im September waren beide deutschen Staaten in die UNO aufgenommen worden - Entspannung war angesagt, und es begann die große Zeit von Alexander Schalck-Golodkowski.

Der Oberst in Diensten der Stasi wurde zum Devisenbeschaffer der DDR. Sein Imperium "Kommerzielle Koordinierung" war so verzweigt, dass bis heute nicht alle Verästelungen nachvollziehbar sind. Aber, so sagte Schalck-Golodkowski später: "Ich habe in der damaligen DDR mit Leidenschaft meine Arbeit als Wirtschaftsfachmann und Finanzexperte wahrgenommen. Ich habe das gern gemacht und mich bemüht, das so korrekt zu machen, wie es sich für einen leitenden Mitarbeiter im Staatsapparat gehört, und ich kann nicht sagen, dass ich mich am Vermögen des Staates noch an anderen Vermögen bereichert habe."

Kredit als Überlebenshilfe

Schalck war mit allen Wassern gewaschen, und das musste er auch sein, denn die DDR stand von 1980 an immer mehr unter Druck, Waren und Technologien aus dem Westen zu importieren - darunter so manches elektronische Bauteil, das auf schwarzen Listen stand und gar nicht in den Ostblock geliefert werden durfte. Und so ganz nebenbei musste er auch die Bonzensiedlung in Wandlitz bei Berlin mit Westwaren versorgen - für umgerechnet 3 Mio. Euro - in Valuta versteht sich.

Schalck, die stets im Hintergrund agierende graue Eminenz der SED-Führung, war es auch, der 1983 mit Franz-Josef Strauß den Milliardenkredit für die DDR einfädelte, im Rückblick sagte er darüber: "Aus der Sicht der DDR war das sicherlich die Chance, wieder kreditfähig zu werden bei den internationalen Banken, das ist unbestritten. Das war ein Signal der Bundesregierung für die internationale Öffentlichkeit, denn ohne die Entscheidung des Bundeskabinetts wäre ein Kredit trotz der Hilfe von Franz-Josef Strauß nicht zustande gekommen."

Der Kredit war eine Überlebenshilfe, denn das Devisengesetz hatte offensichtlich zu keiner Besserung der Lage geführt. Zwar wurden die Sonderregelungen im innerdeutschen Handel - der bis dahin in sogenannten Verrechnungseinheiten lief - aufgehoben; zwar griff das Gesetz weit über das hinaus, was üblicherweise Devisengesetze regeln. Die vorgesehenen restriktiven Kontrollmaßnahmen allerdings wurden nie in die Tat umgesetzt, denn schließlich wollte man möglichst viel der begehrten damaligen D-Mark ins Land holen. Somit hatte sich die SED-Führung mit der Existenz einer Nebenwährung im eigenen Land wohl abgefunden. Geholfen hat es am Ende alles nichts. Das Ende der DDR war auch eine Frage des Geldes.


Autor: Henrik Böhme
   
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