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24.11.1959: Der Wankelmotor
"Mit dem gleichmäßigen Schnurren eines gut geölten Elektromotors läuft auf den Prüfständen von Neckarsulm eine erstaunliche Verbrennungsmaschine. Schon prophezeien Fachleute, dass die Autoindustrie in wenigen Jahren den heute gebräuchlichen Hubkolben-Antrieb zum alten Eisen rechnen und sich auf den rotierenden Kolben-Motor umstellen muss."

So begeistert berichtete die Wochenzeitung "Die Zeit" kurz vor Weihnachten 1959 über eine Erfindung, von der man damals glaubte, dass sie die Automobilindustrie revolutionieren würde. Was der im Schwarzwald geborene Felix Wankel am 24. November 1959 vorstellte, war in der Tat sensationell. Erstmals sollte ein Auto nicht von einem Hubkolben-, sondern von einem Kreiskolbenmotor angetrieben werden.

"Teufelskäfer

Angefangen hatte alles Mitte der 1920er-Jahre. Damals baute der junge Wankel in Heidelberg sein erstes Auto. Den Motor für seinen "Teufelskäfer" hatte er sich bei einem Schrotthändler besorgt. Der Motor rüttelte aber viel zu stark für das leicht gebaute Auto. Wie kann man da Abhilfe schaffen? Der Wochenzeitung "Die Zeit" erzählte Wankel, dass ihn diese Frage nicht mehr losließ:

"Gleich vielen anderen Ingenieuren konnte ich mich nicht damit abfinden, dass der Hubkolbenantrieb das einzig mögliche Prinzip bei Verbrennungsmotoren sein sollte. Damit sich die Räder drehen, muss man den schüttelnden hin- und hergehenden Rhythmus des Kolbens in eine harmonisch drehende Bewegung verwandeln. Das ist sehr umständlich. Kurbeln und Wellen sind nötig, und allerlei technische Probleme müssen gelöst werden, bis uns das Auto den Gefallen tut und fährt."

Direkter Weg

Dem setzte Felix Wankel einen völlig neuartigen Motor entgegen: den nach ihm benannten Wankelmotor. Dieser überträgt die Verbrennungsenergie ohne den Umweg über die Hin- und Herbewegung des Kolbens direkt auf einen dreieckförmigen flachen Drehkolben, der in einem ovalen Gehäuse umläuft.

Dass Wankel seinen Motor zur Serienreife bringen konnte, ist in hohem Maße der Verdienst der Neckarsulmer Automobilwerke NSU, die später mit Audi zusammengingen. Die NSU-Werke standen seit Beginn der 1950er-Jahre mit dem Erfinder in engem Kontakt. 1957 brachte er seinen Drehkolben-Versuchsmotor auf einem Prüfstand von NSU zum Laufen, kurze Zeit später den Kreiskolbenmotor.

Spider und RO 80

Ab 1963 ging der NSU Spider in Serienproduktion. Er war das weltweit erste Auto, das von einem Wankelmotor angetrieben wurde. 1967 folgte ihm der RO 80 - das deutsche Wankelauto schlechthin. RO stand für Rotationskolben, ein anderes Wort für den Kreiskolben, 80 sollte andeuten, dass es das Auto der 1980er-Jahre sein sollte. Der Wagen kam im August 1967 auf den Markt und wurde auf Anhieb Auto des Jahres. Die Fachwelt pries das Fahrzeug als "Auto mit dem größten technischen Fortschritt". Aus knapp einem Liter Kammervolumen lieferte die Maschine 115 PS. Mit seinen 180 Stundenkilometern war das Auto damit einer der schnellsten Reisewagen.

Zwischen 1967 und 1977 verkaufte NSU, später Audi NSU, knapp 38.000 RO 80. Doch dann wurde die Produktion eingestellt. Der RO 80 sollte einst als Neuling in der oberen Wagenklasse mit Mercedes konkurrieren. Der Markt schien anfangs wohl gesonnen, das Auto kam jedoch zu früh heraus. Das Gasdichtsystem des Motors war noch nicht ausgereift. Viele Motoren mussten schon nach wenigen tausend Kilometern ausgetauscht werden.

Das Ende der Wankelmotoren

Kritisiert wurde auch der hohe Benzinverbrauch. Bei Höchstgeschwindigkeit waren es bis zu 18 Liter auf 100 Kilometer. Hinzu kam, dass Deutschlands Automobilhersteller wenig Neigung zeigten, sich mit dem Wankelmotor Konkurrenz ins eigene Haus zu holen. So war mit dem Ende des RO 80 auch das Ende der Wankelmotoren "Made in Germany" gekommen. Felix Wankel fühlte sich als Prophet, der im eigenen Land nichts gilt.

Wenige Wochen vor seinem Tod, im Herbst 1988, stellte der damals 86-Jährige gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" verbittert fest: "Die Japaner haben anderthalb Millionen Kreiskolbenmotoren verkauft. Die Japaner verkaufen jedes Jahr 100.000 Sportwagen. Aber bei uns rührt sich keine Hand."

Autor: Ernst Meinhardt
   
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