 |
 |
 |
 |
 |
|
4.11.1901: Gründung der Wandervogel-Bewegung |
|
 |
 |
|
 |
Schon einige Jahre vor der offiziellen Gründung des Vereins trafen sich Schülergruppen des Steglitzer Gymnasiums zu Wanderungen. Unter Anleitung eines Studenten oder Lehrers zogen sie mit leichtem Gepäck und Gitarre, der sogenannten Klampfe, hinaus in die Natur. Fernab der zügig wachsenden Großstädte wollten sie einen eigenen, jugendspezifischen Lebensstil entwickeln und die einfache, bäuerliche Dorfkultur als Gegensatz zur Industriegesellschaft wieder entdecken.
Neue alte Ideen
Sie nahmen romantisch stilisierte Vorstellungen vom Vagantenleben als Vorbild für ein neues Leben der "Einfachheit" und "Wahrhaftigkeit", das sich in der Chiffre der "Blauen Blume" manifestierte, und lebten nach neuen alten Ideen: "Hinaus aus den neuen Städten", "Hinaus aus den Ballungsgebieten", die Natur entdecken, die Natur schützen, die Heimat schützen, natürliches Leben führen, also eine stadtflüchtige und zivilisationskritische Bewegung von Jugendlichen, das war der Anfang.
Ausdruck der bürgerlichen Kritik war auch die einfache, scholarenhafte Kleidung der Wandervögel. Ein sehr wichtiger Aspekt auf den Ausflügen und Fahrten war das von Laute und Klampfe begleitete gemeinsame Singen, vor allem aus dem "Zupfgeigenhansl", der ersten offiziellen Liederbuchsammlung des Wandervogels. Das Singen mit der bald einsetzenden Entdeckung des Volksliedes gehörte in den Kontext von "Entdeckung oder Wiederentdeckung von Natürlichkeit und Ursprünglichkeit".
Wanderschwestern
Die anfängliche Wandervogelbewegung war eine Bewegung von Jungen und jungen Männern. Doch 1905 wurde ein Bund der "Wanderschwestern" gegründet - im wörtlichen und im übertragenen Sinne, denn zum einen waren es wirklich die leiblichen Schwestern der Wandervögel. Auch die Mädchen wollten sich einen jugendlichen Freiraum schaffen. Zum anderen bekundete der Name "Bund der Wanderschwestern" auch weibliche Solidarität. Weitere Mädchengruppen entstanden.
Meißnerformel
Die Wandervogelbewegung wurde zum Ausgangspunkt der deutschen Jugendbewegung, die sich in Opposition zu studentischen Korporationen formierte. 1913 trafen sich die freideutschen Jugendbünde auf dem Hohen Meißner bei Kassel zum ersten Mal und benannten ihre Ziele in der sogenannten Meißnerformel: "Die Freideutsche Jugend will aus eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein. Zur gegenseitigen Verständigung werden freideutsche Jugendtage abgehalten. Alle gemeinsamen Veranstaltungen der freideutschen Jugend sind alkohol- und nikotinfrei."
Wechselnde Vielfalt
Den Ersten Weltkrieg überstand die Wandervogelbewegung, allerdings mit organisatorischen und personellen Veränderungen, denn die männlichen Wandervögel waren, wie die meisten anderen Männer, begeistert in den Krieg gezogen. In der Weimarer Zeit fächerte sich der Wandervogel auf in eine umfangreiche bündische Bewegung von zahlreichen, auch ideologisch unterschiedlich geprägten Bünden. Diese Vielfalt wurde Anfang 1933 im Zuge der Gleichschaltung von den Nationalsozialisten verboten und aufgelöst.
Nach 1945 gründeten sich Bünde neu, die sich auf die Traditionen der Jugendbewegung beriefen. Heute gibt es eine bunte Fülle unterschiedlichster Gruppierungen und meist relativ kleiner Gruppen und Bünde, die sich auf diese Tradition des "Wandervogels" und der Jugendbewegung berufen.
Autorin: Sabine Ochaba |
 |
|
 |
|
|
|
 |
|
 |
|
|
|
 |
|
|
 |
|