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18.9.1949: Erste Frankfurter Buchmesse
Die Männer der ersten Stunde leben nicht mehr. Sie alle waren schon 1949 gestandene Verleger und Buchhändler, die sich daran machten, den Buchhandel in Westdeutschland wieder anzukurbeln. Der Initiator und Motor des Ganzen war der Buchhändler Alfred Grade, er wiederum holte den Sortimenter Heinrich Cobet in sein Vorbereitungsteam.

Die Anfänge

1982 erinnerte sich Cobet, damals schon hoch betagt, in einem Rundfunk-Interview an jene aufregenden Anfangsjahre: "Die Buchhändler, die nicht Mitglied in der NSDAP gewesen waren, haben fast täglich zusammengegluckt, man war ständig im Gespräch. Für uns war sehr wichtig der Buchhändler Grade, denn der hatte - und das war für die Amerikaner ganz entscheidend - mit Anti-Hitler-Literatur gehandelt und dafür lange Zeit im Konzentrationslager Buchenwald gelitten. Nichts war damals wichtiger, als Leute aus dem aktiven Widerstand. Grade war besessen von der Vorstellung, die Einheit des deutschen Buchhandels über die damalige Ostzonengrenze hinweg festzuhalten."

Ersatz für Leipzig

Mit der Teilung Deutschlands musste Ersatz gefunden werden für Leipzig, dem traditionellen Buchmesseplatz Deutschlands. Hinzu kamen wirtschaftliche Zwänge: 1948, nach der Währungsreform in den Westzonen, kam es zu drastischen Einbrüchen im Buchhandel: Der Wert der Währung hatte sich zwar stabilisiert, aber die Menschen gaben das wenige Geld für Lebensmittel und Kleidung aus, nicht aber für Bücher.

Der Buchmarkt verlangte dringend nach neuen Impulsen. Eine Messe schien das geeignete Mittel, nur, dass die Frankfurter Buchhändler nicht allein auf diese Idee kamen. Stephan Füssen hatte, zum 50. Geburtstag der Frankfurter Buchmesse, ihre Anfänge für eine Publikation im Suhrkamp-Verlag recherchiert: "In Konkurrenz mit Frankfurt standen verschiedene Städte, vor allem Hamburg und Stuttgart. Es trat auch die merkwürdige Situation ein, dass zum Beispiel ein bedeutender Verleger wie Ernst Rowohlt in Frankfurt die Eröffnungsrede hielt, mit seinen Titeln aber nur in Hamburg ausstellte."

Hilfe durch Zufall

Die Eröffnung der Buchmesse war für den 18. September 1949 in der Frankfurter Paulskirche geplant, aber noch wenige Wochen zuvor nahm sich die Zahl der Anmeldungen kümmerlich aus. Die Organisatoren mobilisierten alle möglichen Kontakte und starteten eine Anzeigenkampagne.

Aber letztlich half ihnen ein schlichter Zufall, erinnerte sich der Mann der ersten Stunde, Heinrich Cobet: "Ein besonders Glück war, dass ein Franzose, Monsieur Martin, eine Ausstellung französischer Bücher in den Römerhallen veranstaltete - und das war die Hilfe für die Internationalisierung der Buchmesse. Denn nachdem die Franzosen indirekt an dieser Messe teilnahmen, waren auch die Amerikaner, die Schweizer, die Österreicher, die Italiener daran interessiert zu sehen, welche Möglichkeiten sich auf dieser Buchmesse ergeben. Für Deutschland war es ganz entscheidend, dass die ersten intellektuellen internationalen Verbindungen über diese Buchmesse gefördert worden sind."

Erfolgreiches Konzept

Letztendlich kamen nach Hamburg 57 Verlage, nach Frankfurt aber 207. Die internationale Ausrichtung sollte ebenso zum Markenzeichen der Frankfurter Buchmesse werden, wie die gleich aussehenden Messestände: große schräge Holzplatten mit fünf Leisten, auf denen 50 Bücher mit ihrem Gesicht gezeigt werden konnten. Diese einheitliche Präsentation sollte großen und kleinen Verlagen die gleichen Wettbewerbs-Chancen sichern.

Insgesamt war das Konzept der Organisatoren aufgegangen, meinte Stephan Füssel: "Die erste Messe war erstaunlich erfolgreich, es wurden Aufträge in Höhe von umgerechnet 1,3 Mio. Euro verzeichnet. Es gab über 10.000 zahlende Gäste, und vor allem die Feuilletons haben sehr positiv reagiert. Das heißt, es waren nicht nur die Händler, sondern auch die kulturell interessierte Öffentlichkeit beteiligt. Auch das ist sicher ein Erfolgsrezept der Frankfurter Buchmesse, dass sie eben nicht nur eine Handelsmesse ist, sondern ein Gradmesser für die kulturelle und literarische Situation der Bundesrepublik."

Zeichen der Versöhnung

Bereits im zweiten Jahr wurde der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels vergeben, als Zeichen der Versöhnung Deutschlands mit der Welt nach den schrecklichen Gräueltaten der nationalsozialistischen Diktatur. Der erste Preis ging 1950 an den Schriftsteller Max Tau, der zweite 1951 an Albert Schweizer. Die Dankesrede des damals 76-jähigen Humanisten ist das älteste erhaltene Tondokument der Frankfurter Buchmesse: "Es braucht keine andere Lebens- und Welterkenntnis mehr als die, dass alles, was ist, Leben ist. Und dass wir allem, was ist als Leben, als einem höchsten, unersetzlichem Wert Ehrfurcht entgegen bringen müssen. Wenn uns die Humanitätsgesinnung den Frieden in der Welt bringen soll, muss sie Gut aller Völker werden."

Im fünften Jahr der Buchmesse, also 1953, war die Zahl der ausländischen Verleger bereits größer als die der deutschen. Damit hatte sich Frankfurt als Treffen der Büchermacher aus aller Welt etabliert. Aus einer kleinen regionalen Initiative hessischer Verleger und Buchhändler war die größte Buchmesse der Welt erwachsen.


Autorin: Kerstin Schmidt
   
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