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14.9.1542: Der Tod Peter Henleins
Die Zeit: sie kommt und sie geht, vergeht, verrinnt, bleibt stehen. Mal holt sie uns ein, mal läuft sie uns weg, die Zeit. Man kann Zeit gewinnen und Zeit verlieren. Zeit. Zeit. Zeit.

Es war einmal, da gingen die Menschen auf den Feldern ihrer Arbeit nach, und die Kirchenglocken sagten den Menschen, wie viel Zeit vergangen war. Die Glocken riefen zum bescheidenen Mittagsmahl unter schattigen Bäumen oder zur Vesper. Abends riefen sie nach Hause, und immer wieder riefen sie zum Gebet. Sie, die Kirche, regelte alles, was mit Leben und Zeit und Lebenszeit zu tun hatte, von der Geburt bis zum Tode und darüber hinaus, indem sie ihre Glocken läuten ließ.

Im 16. Jahrhundert aber nahmen geschickte Handwerker, vor allem Schlosser, der Kirche das Privileg, die Zeit allein zu bestimmen. Sie fertigten für Fürsten und Könige Uhren, die sie auf den Tisch stellten oder an die Wand hängten und so die Zeit für sich verfügbar hatten. Und sie bauten Uhren, die man am Körper tragen konnte. Immer mehr rückte die Zeit den Menschen auf den Leib, und bald wurde ihr Wert danach bemessen, wie viel sie in einer bestimmten Zeit zu leisten vermochten.

In dieser Zeit, da der Federzugantrieb und die Unruhe erfunden waren, arbeiteten geschickte Handwerker in ganz Europa an immer kleineren, immer kunstvolleren und immer zuverlässigeren Uhren. Diese Uhren waren sehr begehrt. In Nürnberg war es der Schlosser Peter Henlein, der am Katharinenkloster neben dem bekannten Erzgießer Peter Vischer wohnte und wahre Wunderwerke schuf, auch kleine eiförmige Uhren und walnussartige so genannte Bisamköpfe.

Von Henlein weiß man nicht genau, wann er geboren wurde: es wird geschätzt zwischen 1479 und 1485. Gestorben ist er zwischen dem 4. Juni und dem 14. September 1542. Nur eines ist genau in den Urkunden festgehalten: In der Nacht zum 8. September 1504 sitzt Henlein mit anderen Schlossern zusammen; nehmen wir an, sie zechen miteinander; ein Wort gibt das andere, Händel beginnt und plötzlich sinkt einer, Clemens Glaser mit Namen, zu Boden: erschlagen.

Henlein flüchtet - und macht sich dadurch verdächtig. Es konnte nie geklärt werden, wer zu dem tödlichen Schlag ausgeholt hatte. Jedenfalls wurde die Angelegenheit nach langwierigen Auseinandersetzungen gerichtlich beigelegt.

1509 wurde Henlein Meister; in diesem Jahr muss er auch geheiratet haben. Seine Frau lebte aber nicht lange, so dass er 1521 zum zweiten Mal heiratete. Peters Bruder, der Hermann, fiel dem Nürnberger Rat des Öfteren unangenehm auf. In der Nacht zum 23. November beging er dann ein ganz schlimmes Verbrechen, er erschlug eine junge Bettlerin. Niemand konnte genau klären, ob er die Frau vergewaltigen wollte, ob er unter Alkoholeinfluss stand; eine andere Bettlerin, die dabei war, kam mit Verletzungen davon. Jedenfalls wurde der Hermann später gefasst und in Augsburg hingerichtet.

Aber hier soll von Uhren die Rede sein, von der Zeit, die man mitnehmen konnte, nicht von Verbrechen in mittelalterlichen Mauern, wo die Zeit stehen bleibt. Peter Henlein hatte sich mit seinen Wunderwerken einen Namen gemacht.

Der Rat beauftragte ihn mit der Fertigung einer komplizierten Planetenuhr, Henlein baute Rathausuhren und Turmuhren, er baute Uhren, die der Rat hohen Gästen schenkte. Er baut Uhrwerke in kleine Gehäuse aus Gold. Der Humanist Johannes Cochläus schwärmte, Henlein mache Uhren, die selbst die gelehrtesten Mathematiker bewunderten. Er fertige nämlich aus wenig Eisen Werke mit sehr vielen Zahnrädern, die, wie immer man sie kehre und wende, ohne jedes Gewicht 40 Stunden lang die Zeit zeigen und schlagen, auch wenn man sie an der Brust oder in der Gürteltasche trage.

Henlein wird später einmal Schlagzeilen machen als der erste Mann, der eine Taschenuhr gefertigt habe, auch als Erfinder des Federzugs und der Unruhe. Nein, das alles war er nicht, aber er war dennoch ein Genie. Wie kaum einem anderen gelang es ihm, den Rohstoff Eisen so zu bearbeiten, dass er sich nach seinem Willen präzise bewegte, dass er die Zeit anzeigte - am Körper, tragbar, erfahrbar. Er war einer der ersten, der so kleine Uhren von so großer Präzision fertigen konnte.

Und das war sie, die Geschichte von der Zeit - und von den Menschen, die der Kirche die Zeit nahmen, die die Zeit in ihre eigenen Hände nahmen und frühstückten, wann sie wollten, zu Mittag aßen, wann sie wollten, und zu Bett gingen, wann sie wollten. Bis die Industrie kam mit ihren eigenen Zeiten und ihren eigenen Uhren.

Autor: Claus-Dieter Gersch
   
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