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7.9.1987: Honecker in der BRD
Für den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, ging ein Lebenswunsch in Erfüllung. Etwas steif stand er neben Helmut Kohl, hörte die Hymnen und die Meldung der Ehrenformation, im vollen Bewusstsein, dass jetzt wohl die ganze Welt auf ihn schaute. Nun endlich konnte jeder sehen, dass die große Bundesrepublik die kleine DDR als Staat anerkennen musste.

Stolz erteilt der Staatsratsvorsitzende Honecker beim abendlichen Festessen denen Nachhilfeunterricht in Geschichte, die noch vor nicht allzu langer Zeit das Wort DDR in Anführungsstrichen schrieben und sprachen: "Dauerhafte gute Nachbarschaft verlangt, die Realitäten zu respektieren, wie sie sich im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsentwicklung herausgebildet haben. Es ist sinnlos und gefährlich, dem schmachvoll untergegangenen Deutschen Reich nachzutrauern. Beide deutschen Staaten müssen sich auf der Basis gegenseitiger Achtung respektieren und miteinander friedlich leben, so wie es zwischen souveränen Staaten üblich ist. Das schulden wir uns und den anderen europäischen Völkern."

In seiner Rede, die auch vom DDR-Fernsehen live übertragen wurde, verwies Bundeskanzler Kohl ausdrücklich auf die Präambel zum Grundgesetz, in der die Wiedervereinigung der Deutschen als Ziel festgeschrieben ist.

Helmut Kohl wollte Verbesserungen für die Menschen westlich und östlich der Elbe erreichen. Dabei ging es vor allem darum, die Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger auszuweiten und die DDR-Führung dazu zu bewegen, das Grenzregime zu lockern. Auch der Zugang zu Informationen aus dem Westen sollte für die Ostdeutschen erleichtert werden.

Alles altbekannte Themen, Kohl sagte seinem Gast, was er zu sagen hatte, Honecker hörte zu - letztlich blieben beide Seiten auf ihren Positionen. Insofern war auch das Misstrauen aus Moskau unbegründet: Der Große Bruder Sowjetunion befürchtete nämlich angesichts der deutsch-deutschen Annäherungsversuche Kontroll- und Machtverlust gegenüber dem Verbündeten DDR.

Während Erich Honecker also von Bonn aus weiter durch den Südwesten der Bundesrepublik reiste - eine wichtige Station war das Saarland, seine Heimat - blieb sein Volk zu Hause und konnte aber dank der ausführlichen Berichterstattung in allen Medien jeden Schritt seines Staatsratsvorsitzenden verfolgen. Das Interesse hielt sich allerdings in Grenzen. Soll er doch fahren, was haben wir damit zu tun, so dachten viele.

Wenn überhaupt etwas, dann erhofften sich die DDR-Bürger, auch in den Westen reisen zu dürfen! Und das sagten sie auch ganz deutlich in die Mikrofone westlicher Korrespondenten:

"Vielleicht Besuchserleichterungen irgendwie, ansonsten habe ich keine Hoffnungen weiter."
"Noch mehr Reiseerleichterungen vielleicht, für die, die keine Verwandte und Freude haben."
"Das interessiert mich eigentlich gar nicht weiter. Ich meine, es kommt sowieso nichts für uns dabei heraus. Für mich wäre es eigentlich auch interessant gewesen, wenn als Schwerpunkt gewesen wäre, dass man die innerdeutschen Beziehungen ein bisschen verbessern würde, der Kontakt zu Freunden, zu Bekannten, dass das alles ein bisschen erleichtert würde."

In der DDR aber blieb alles beim Alten. Vorläufig, denn auch der rote Teppich in Bonn konnte Erich Honecker letztlich nicht mehr helfen. Zwei Jahre später hatten es die Bürger dann endgültig satt, auf Erlaubnis vom Staat zu warten: In Scharen liefen sie weg, über die ungarische Grenze, verschanzten sich in den BRD-Botschaften in Budapest und Prag, und im Land selbst formierte sich die Opposition. Der Staatsbesuch in Bonn hat die DDR nicht gestärkt und sicher auch ihre Existenz nicht verlängert.

Immerhin, fünf Tage lang konnte Erich Honecker den wohl größten persönlichen Triumph seines Lebens genießen. Und zumindest einer der Daheimgebliebenen hat sich bei allem noch prächtig amüsiert. Wolfgang Ullmann, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, erinnert sich: "Es wirkte doch wirklich komisch, wenn Honecker dort nun feierlich erklärte, dass die beiden Gesellschaftsordnungen sich wie Feuer und Wasser zueinander verhielten. Wir in der Familie haben dann immer gewitzelt und haben gefragt, na, wo ist er denn jetzt, im Feuer oder im Wasser? Und ich denke noch daran, wie in Wiebelskirchen, seinem Heimatdörfchen, beinahe eine Straße nach ihm benannt worden wäre, weil man so stolz war auf diesen großen Sohn. Es hatte schon etwas Groteskes!"

Autorin: Martina Assuncao
   
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