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26.8.1971: BAföG
Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem, das ist das Motiv, das hinter der Einführung des neuen Gesetzes mit dem unaussprechlichen Namen steht. Das "Bundesausbildungsförderungsgesetz", später nur noch als BAföG bekannt, will dafür sorgen, dass allen Studierwilligen die Tore zu den höheren Fachschulen, Akademien oder Hochschulen offen stehen. Aus Mangel an Mitteln soll kein junger Mensch in Deutschland auf eine höhere Ausbildung verzichten müssen.

Die Förderung der Studierenden war bis zur BAföG-Einführung nicht gesetzlich geregelt, sondern lediglich durch das so genannte Honnefer und Rhöndorfer Modell auf der Grundlage von Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern festgelegt. 1970 begann man die Ausbildungsförderung zunächst für Schüler und Fachschüler bundeseinheitlich zu regeln.

So war es nur noch eine Frage der Finanzen, bis die beiden Modelle in ein umfassendes einheitliches System der individuellen Ausbildungsförderung eingegliedert wurden - so der damalige SPD-Abgeordnete und Ausschussvorsitzende für Jugend, Familie und Gesundheit, Rudolf Hauck, in der entscheidenden Bundestagssitzung im Sommer 1971: "Seit diesem Zeitpunkt hat nun eine heftige öffentliche Diskussion statt gefunden, die ja gerade heute in Bonn in einer Studentenveranstaltung einen Höhepunkt erreichen sollte. Viele nun in der Öffentlichkeit und auch aus dem Hohen Haus glaubten nicht, dass es uns in der kurzen Zeit möglich wäre, das Gesetz zu verabschieden und zum ersten Oktober 1971 in Kraft zu setzen."

Die Opposition aus CDU und CSU lehnt die neue umfassende Ausbildungsförderung ab. Der Grund: sie wirft der Regierungskoalition von SPD und FDP vor, ein Maximum an Reform der Ausbildungsförderung versprochen zu haben, aber nun nur ein Minimum zu realisieren.

Die eigentliche Leistungsverbesserung des BAföG gegenüber dem ersten Ausbildungsförderungsgesetz und dem Honnefer wie Rhöndorfer Modell sind in der Tat nur minimal. Schüler, die bei ihren Eltern wohnen, werden jetzt mit 80 gegenüber früher mit 75 Euro unterstützt. Die Bedarfssätze für Studenten, die bei ihren Eltern wohnen, werden von 160 Euro auf 170 Euro angehoben.

Die damalige Bundesfamilienministerin Käthe Strobel wandte sich vehement gegen den Vorwurf der Opposition, das neue Gesetz sei nur ein Abklatsch der vorliegenden Modelle: "Mit diesem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung versucht, das zur Zeit mögliche zum weiteren Ausbau, zur Vereinheitlichung und zur Verbesserung der individuellen Ausbildungsförderung zu tun. Die Bundesregierung hätte gerne einen größeren Schritt hin zur Familienunabhängigkeit getan, dem schiebt aber die notwendige stabilitätsorientierte Haushaltspolitik einen Riegel vor."

Die Ausbildungsförderung, hob der FDP-Abgeordnete Kurt Spitzmüller hervor, werde jetzt erstmals bundeseinheitlich geregelt. Sie verzichte zudem auf den Nachweis überdurchschnittlicher Leistungen, schaffe Pflichtdarlehen ab, führe Härtedarlehen wieder ein und hebe die Freibeträge für Waisen und Studentenehepaare an: "Ich glaube für die FDP sagen zu können, dass wir das Mögliche, das finanziell haushaltspolitische und volkswirtschaftlich Mögliche getan haben. Und, meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, dass niemand auch bei härtester sachlicher Kritik im Einzelnen bestreiten kann, dass mit diesem Gesetz trotzdem ein weiterer Schritt zu Chancengleichheit für viele junge Menschen nach vorne getan wird."

Ab dem 1. Oktober 1971, dem Inkrafttreten des neuen BAföG, so der SPD-Politiker Roland Hauck, werden mehr als 200.000 Schüler und Schülerinnen und 160.000 Studierende für ihren Lebensunterhalt und ihre individuelle Ausbildung aus öffentlichen Mitteln gefördert. Die Förderungsgrundlage bleibt allerdings nach wie vor vom Einkommen der Eltern abhängig.

Hauck: "Familienunabhängige Ausbildungsförderung kostet insgesamt sieben bis acht Milliarden im Hochschulbereich und für den gesamten Ausbildungsbereich 8 Milliarden Euro pro Jahr. Dies ist einfach nicht zu finanzieren."

Gleichwohl wurde anerkannt, dass es gute und berechtigte Gründe gibt, die für eine größere Unabhängigkeit vom Elternhaus sprechen, und langfristig gesehen bleibt daher - damals wie heute übrigens immer noch - die familienunabhängige Ausbildungsförderung auch aus bildungspolitischen Gründen eine anzustrebende Lösung.

Autorin: Petra Kohnen
   
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