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28.8.1988: Das Unglück von Ramstein |
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Volksfeststimmung auf der US-Base im pfälzischen Ramstein. Ein Sonntag im August 1988, ein schöner Sommertag. Die militärische Flugschau der US-Air-Force und ihrer NATO-Verbündeten lockt Hunderttausende an - geboten werden amerikanisches Eis, Pommes und Hamburger. Es soll ein deutsch-amerikanisches Volksfest sein.
Die Flugschau ist für die meisten Besucher nur eine Zugabe. Viele wissen gar nicht, dass die italienische Staffel "Frecce Tricolore" den eigentlichen Höhepunkt bilden. Kurz vor 16.00 Uhr am Nachmittag starten die Italiener zu ihrer Flugakrobatik durch, einem spektakulären Kunststück: Ein Solopilot und fünf direkt aufeinander zufliegende Düsenjets sollen sich im Abstand von wenigen Metern und mit 600 Stundenkilometern kreuzen, die Formation nennt sich "Das durchstochene Herz".
Aus dem Flieger-Kunststück wird ein Inferno: Drei Maschinen kollidieren, zwei stürzen in einen Wald, die Dritte rast wie ein Feuerball in die Menschenmenge. Schreckliche Bilanz: 70 Tote und 1500 Verletzte.
Immer wieder hatten Kirchen und Friedensbewegte vor den gewagten Flugmanövern gewarnt, ebenso die SPD-Opposition in Rheinland-Pfalz - doch Flug-Fans warfen ihnen Anti-Amerikanismus vor: "Diejenigen, die dagegen demonstrieren wollen, das finde ich vollkommenen Unfug. Denn wenn wir das nicht hätten, dann würden wir heute schon zur Sowjet-Union gehören."
Die durch Trümmer und Splitter verstümmelten und durch im Feuersturm erlittene Brandwunden lebenslang entstellten Menschen werden für ihre Leiden nach zähen, oft jahrelangen, zermürbenden Kämpfen mit den Behörden finanziell entschädigt. Einer von ihnen ist Willibald Siert. Sein Vater und sein Bruder verbrennen in Ramstein, er selbst bringt ein halbes Jahr in der Klinik zu:
Willibald Siert: "Es gibt viele Leute, die wirklich die Ansicht haben, man habe bei dem ganzen ein gutes Geschäft gemacht. Also, du gibst ein Bein und bekommst dafür 150.000 Mark. Und das ist mir nicht nur einmal, sondern mehrmals passiert, dass manche Leute so darüber denken, und das finde ich ganz schlimm."
Willibald Siert steht erst einmal allein da, mit dem grauenhaften Erlebnis und den schrecklichen Bildern, die allgegenwärtig sind: bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leichen, brennende Menschen, die sich wie lebende Fackeln auf dem Boden wälzen, die in Sekunden weggebrannten Hamburger-Stände, die Panik, die Massenflucht.
"Traumata wie nach Kriegsereignissen", konstatieren Psychologen. Opfer und Angehörige erhalten keinerlei seelischen Beistand. In einer Selbsthilfegruppe versuchen sie sich gegenseitig zu stützen. Die Psychologin Sibille Jatzko hilft, erkennt aber auch ihre Grenzen:
Sibille Jatzko: "Wir haben eine Teilnehmerin bei uns in der Gruppe, die ihren Ehemann und Sohn verloren hat. Sie bekommt 280 Mark Rente. Das wurde so berechnet: Einmal wurde sie vom Gesetzgeber als Geschiedene berechnet, was sie sehr verletzt hat. Und dann wurde natürlich der Zeitpunkt des Todes eines relativ jungen Mannes berechnet, und dementsprechend niedrig fällt auch die Rente aus. Sie können sich vorstellen, von 280 Mark kann man nicht leben."
Auch die juristische Aufarbeitung des Infernos verläuft enttäuschend. Der zuständige Staatsanwalt wirft nach wenigen Monaten das Handtuch, weil nach dem NATO-Truppenstatut die italienischen Behörden zuständig sind. Im Ramstein-Untersuchungsausschuss des Bundestages stehen sich ein Jahr lang zwei Fraktionen unversöhnlich gegenüber.
Am Ende gibt es zwei Abschlußberichte. Einen von der SPD, die urteilt, die Katastrophe wäre vermeidbar gewesen; und den von CDU, CSU und FDP, die sagen, der italienische Pilot hätte versagt - also Schicksal. Bernhard Vogel, CDU-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, hat da unter dem Schock der Katastrophe bereits Konsequenzen angekündigt:
Bernhard Vogel: "Kunstflugvorführungen bei militärischen Veranstaltungen wird es in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr geben."
Unmittelbar nach der Katastrophe ist sich der Bundestag noch einig, dass es überhaupt keine Flugtage mehr geben dürfe. Doch bald hört sich das ganz anders an: Man werde die Streitkräfte nicht verstecken, der Steuerzahler habe ein Recht darauf, erklärt der CDU-Abgeordnete Bernhard Wilz.
Die Luftwaffe setzt das Gesagte in die Tat um. Bereits am 1. Juli 1993 fliegen wieder 24 Kampfflugzeuge aus sechs Ländern in Vierer-Formationen über die Landebahn in Ramstein. Und dies ist nur der Start zu zahllosen Flugschauen im deutschen Luftraum während der 1990er Jahre.
Autorin: Doris Bulau |
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