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24.7.1983: Franz Josef Strauß bei Erich Honecker
Das war schon etwas ganz Besonderes: Das SED-Zentralorgan Neues Deutschland vom 25. Juli 1983 zeigt auf Seite Eins Erich Honecker und Franz Josef Strauß in perfekt staatsmännischer Gesprächspose. Genau der Franz Josef Strauß, der in den DDR-Medien sonst als Inbegriff des Kommunistenhassers, Revanchisten und DDR-Feinds präsentiert wurde. Eine Lieblingsfigur der politischen Karikaturisten.

Nun also Strauß, im freimütigen Meinungsaustausch mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker im Schloss Hubertusstock in der Schorfheide bei Berlin. Der vorgeblich rein private Strauß-Besuch war noch aus einem anderen Grund für die DDR-Bürger interessant: Der bayerische Ministerpräsident, das wussten die Ostdeutschen aus dem Westfernsehen, hatte sozusagen in der Tasche einen Milliardenkredit für das von Schulden geplagte Honecker-Regime.

Im Interesse der Menschen

Dabei handele es sich keineswegs etwa um einen Vertrag der Bundesrepublik mit der DDR, geknüpft womöglich an politische Erwartungen oder Zusagen, versicherte Franz Josef Strauß jedem, der es hören wollte. Nein, hier gehe es lediglich um einen Kredit, gewährt von einer westdeutschen Bankengruppe: "Es gibt keinen Pfennig Zinssubvention, keinen Pfennig Haftung. Das Ganze ist ein kommerzieller Vorgang auf dem Euro-Markt, nicht einmal der deutsche Kapitalmarkt wird dadurch belastet. Wir wollen die DDR sicherlich mit kritischen Augen betrachten, aber die pragmatische Zusammenarbeit im Interesse der Menschen war immer unsere Politik."

Wenn Strauß hier von einer Zusammenarbeit im Interesse der Menschen spricht, so betraf das damals vor allem die Reisebedingungen. DDR-Bürger durften erst im Rentenalter Besuchsreisen in die Bundesrepublik machen, wer aus dem Westen seine Verwandten in der DDR besuchen wollte, musste schikanöse Grenzkontrollen über sich ergehen lassen und darüber hinaus noch pro Tag und Person 25 DM Zwangsumtausch zahlen.

Bitte um Hilfe

Bei einem Abstecher nach Dresden konnte der bayerische Ministerpräsident hautnah erleben, wie sehr viele Ostdeutsche unter ihrem Eingesperrtsein litten. Vor dem Dresdner Zwinger, den Franz Josef Strauß besichtigte, hatten sich mehr als 100 Ausreisewillige versammelt; einzelnen aus der Menge gelang es, mit dem hohen Gast aus dem Westen ein paar Worte zu wechseln oder wenigsten einen Brief mit der Bitte um Hilfe zu übergeben: "Wir warten schon zwei Jahre. Die DDR ist nicht gewillt, uns nach dem Völkerrecht freiwillig aus der Staatsbürgerschaft zu entlassen, dass wir in die Bundesrepublik ausreisen können oder nach Österreich ausreisen können." Darauf sagte Strauß: "Wir haben auch darüber gesprochen und hoffen bald zu einer Regelung zu kommen."

Tatsächlich hatte Strauß mit Honecker über diese Dinge gesprochen. Er hatte sogar die Zusage vom Staatsratsvorsitzenden, dass künftig eine Ausreise aus der DDR zur Familienzusammenführung auch für Verlobte möglich sein sollte.

Ein Konzept für innerdeutsche Politik

Aber unabhängig von diesen für die DDR zugegebenermaßen sehr schwierigen Themen, gab es durchaus weitere Möglichkeiten für Ost-Berlin, den Milliardenkredit aus Bonn mit Entgegenkommen zu honorieren. Den Vorwurf, dass hier das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht stimme, wies der CSU-Vorsitzende zurück: "Wenn sie das Verhalten an der Grenze nehmen, die Abfertigung von Sammeltransporten, das Entgegenkommen der DDR in der Postpauschale, die Bereitschaft, jetzt einige dringende Fälle zu lösen, die uns in Bayern betreffen, die Entschmutzung der Rhön. Man kann nicht erwarten, dass ich Herrn Honecker zu einem Mitglied der Christlich Sozialen Union gemacht hätte, man kann nicht erwarten, dass Herr Honecker seine Positionen auf einmal in das Gegenteil verkehrt, aber er hat sehr gut begriffen, und sehr genau auch gewürdigt, dass bei uns guter Wille vorhanden ist. Aber nicht guter Wille, der Kasse allein gegen Hoffnung setzt."

Auch wenn der bayerische Ministerpräsident bemüht war, es herunterzuspielen: Die Regierung Helmut Kohl hatte für den Milliardenkredit an die DDR gebürgt. Mit dem Geldtransfer, der gleichzeitig als Vertrauensvorschuss gesehen werden konnte, wollte das christlich-liberale Kabinett zeigen, dass es ein tragbares Konzept für die innerdeutsche Politik hat und die von der Regierung Helmut Schmidt mühsam erreichten Fortschritte in den Beziehungen zur DDR nicht aufs Spiel setzen wollte.

Milliardenkredit(e)

Schwierig genug war Anfang der 1980er-Jahre die politische Großwetterlage: Der NATO-Doppelbeschluss über die Stationierung von Pershing II in der Bundesrepublik, stellte eine erhebliche Belastung des Ost West-Verhältnisses und damit des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten dar.

Für die DDR-Führung war der Milliardenkredit aus dem Westen eine Rettung aus höchster Not. Elf Milliarden Dollarschulden drückten den Honeckerstaat, der im Jahr 1982 allein für Zinsen eine Milliarde Dollar aufbringen musste. Insider jedenfalls behaupten, dass dieser und ein weiterer Milliardenkredit aus der BRD den endgültigen Zusammenbruch der DDR ein paar Jahre hinausgeschoben habe.


Autorin: Sabine Kinkartz
   
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