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6.7.1950: DDR erkennt Oder-Neiße-Linie an |
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Am 6. Juli 1950 schließen die DDR und die Republik Polen den Görlitzer Vertrag über die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ab (Abkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Polen über die Markierung der festgelegten und bestehenden deutsch-polnischen Grenze).
Im Sommer 1945 hatten die Sieger des Zweiten Weltkrieges in Potsdam Recht gesprochen, hatten bestimmt, was mit dem besiegten Deutschland geschehen sollte. Den Deutschen war auferlegt, das Urteil von Potsdam anzunehmen. Dazu gehörte, dass die ehemaligen deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße nunmehr polnisches Territorium waren.
Einer der ersten außenpolitischen Schritte der im Herbst 1949 gegründeten DDR war deshalb, die Oder-Neiße-Linie als offizielle Grenze zu Polen anzuerkennen. Eben das, regierungsoffiziell protokolliert, geschah am 6. Juli 1950 im Dom Kultury, dem Kulturhaus von Zgorzelec, dem nun polnischen Teil von Görlitz. Unterzeichnet wurde der entsprechende Vertrag von den Ministerpräsidenten beider Länder, Otto Grotewohl und Josef Cyrankiewicz.
Der erste Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, sagte in seiner Rede zum 1. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1950: "Die Oder-Neiße-Grenze soll die Grenze des Friedens sein und niemals die freundschaftlichen Beziehungen zu dem polnischen Volke stören. Wir wünschen und erstreben die engsten wirtschaftlichen Beziehungen zum Nutzen der beiden Völker."
Ein Volk, das zuließ, dass seine Machthaber zweimal in 20 Jahren die Gesetze des menschlichen Zusammenlebens mit Füßen traten, habe gelernt, dass es nur durch restlose und ehrliche Anerkennung der internationalen Vertragswerke in die Familie der Völker zurückkehren kann.
Dieses von den Regierenden der DDR beschriebene Lernen fiel alles andere als leicht, und es war am Unterzeichnungstag nicht beendet. Millionen von Deutschen, die ihre Heimat östlich von Oder und Neiße verlassen mussten, war schweres Leid geschehen. Aber es galt einzusehen, dass dies im Namen des internationalen Rechts geschah, um die Wiederholung des Unrechts zu verhindern, das Millionen Polen das Leben gekostet hatte.
Gerade deshalb war das Abkommen über die Oder-Neiße-Grenze ein unverzichtbarer, ein entscheidender Schritt zu neuem Umgang zwischen den Völkern diesseits und jenseits der beiden Flüsse. Diesen Schritt gegangen zu sein, bleibt zweifellos ein historisches Verdienst der Deutschen in der DDR. Das wurde auch in Polen so gesehen.
Zum 30. Jahrestag der Vertragsunterzeichnung von Zgorzelec, im Juli 1980, erklärte der ehemalige Ministerpräsident Josef Cyrankiewicz: "Ich hatte ein tiefes Gefühl des Sieges der gerechten menschlichen Sache, ein Gefühl, das genau dasselbe Gefühl unserer deutschen Freunde sei und dass wir endlich gemeinsam ein neues Kapitel in der Geschichte der polnisch-deutschen Beziehungen zu schreiben beginnen."
Für die damalige Bundesrepublik Deutschland war die deutsche Frage nach wie vor offen. Die Wiedervereinigung Deutschlands, die ihr erklärtes Ziel war, müsse auch die ehemaligen deutschen Ostgebiete einschließen. So seinerzeit Kanzler Adenauer. In den Augen Warschaus war dies eine Politik des Revanchismus und des Revisionismus, die scharf verurteilt wurde.
In den offiziellen Erklärungen konnte man dann Sätze wie den folgenden lesen: "Die Nuklear-Raketenmacht der Sowjetunion ist gemeinsam mit den Kräften der anderen Staaten des Warschauer Vertrages ein bewährtes Schutzschild der Sicherheit und der Unantastbarkeit unserer Grenzen."
Erst 1970, 20 Jahre nach Görlitz, verzichtete die Bundesrepublik Deutschland endgültig auf Gebietsansprüche gegenüber Polen. Der in diesem Sinn von Willy Brandt in Warschau unterzeichnete Vertrag war zweifellos ein bedeutender Schritt zu einer stabileren Friedensordnung in Europa, zu einer Aussöhnung mit Polen und der damaligen Sowjetunion. Diese beiden Länder hatten im Zweiten Weltkrieg besonders viele Opfer und Zerstörungen zu beklagen.
Im Frühjahr 1990, angesichts der sich abzeichnenden Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, bekannte sich auch das Parlament der Bundesrepublik Deutschland, der Deutsche Bundestag, zum Abkommen von Zgorzelec. Denn man wusste nur zu gut, dass vielerorts in Europa und auch außerhalb unseres Kontinents das Verhältnis der Deutschen zu dieser Grenze als Prüfstein ihres erklärten Willens gilt, ein europäisches Deutschland zu schaffen.
Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt erklärte damals in einer Fernsehdiskussion: "Ich sage noch einmal, die Polen und bitte zweitens die Franzosen. Ohne die Franzosen geht gar nichts, und gegen die Polen geht auch nichts. Mit aller Brutalität muss man sagen, gegenüber den Polen ist eine der allerwichtigsten Voraussetzungen die - ganz klare und ohne Fisimatenten - Anerkennung der polnischen Westgrenze so, wie sie heute ist."
Denn auch das Europa der offenen Grenzen, in dem wir leben, setzt die Anerkennung und die Sicherheit dieser Grenzen voraus. Das Abkommen vom 6. Juli 1950 schuf dafür eine wichtige Voraussetzung.
Autor: Klaus Franke
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