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20.6.1948: Währungsreform
Am 16. und 17. Juni 1948 rollten hunderte von militärisch bewachten Lastwagen durch das zerstörte Nachkriegsdeutschland - genauer gesagt, durch die drei Besatzungszonen der westlichen Alliierten.

Briten, Franzosen und US-Amerikaner verteilten 23.000 Holzkisten über das Land, mit der harmlosen Aufschrift "Doorknobs" - Türklinken. Ihr Inhalt war brisant: neues Geld für die Deutschen, Scheine, die in den USA gedruckt worden waren. Genau zehn Milliarden, 701 Mio. und 720.000 "Deutsche Mark" - so sollte die neue Währung heißen.

Die Deutschen brauchten eine neue Währung, weil sie kein Vertrauen mehr in die Reichsmark, die Rentenmark, die alliierte Militärmark hatten.

Ein radikaler Schnitt

Deutschland war zerstört, überall herrschte Mangel. Geld gab's genug, doch dafür gab's nichts zu kaufen. Der Mangel wurde mit Zuteilungsmarken verwaltet, Tauschhandel war an der Tagesordnung, Zigaretten waren die heimliche Währung. So konnte natürlich keine Wirtschaft florieren - das Geld musste wieder einen echten Wert bekommen, es musste wieder Kaufkraft besitzen - und das ging nur durch einen radikalen Schnitt. Plötzlich ging alles Schlag auf Schlag.

Am Freitag, den 18. Juni 1948 konnten die Deutschen im Radio hören: "Das erste Gesetz zur Neuordnung des deutschen Geldwesens ist von den Militärregierungen Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und Frankreichs verkündet worden und tritt am 20. Juni in Kraft. Die bisher gültige deutsche Währung wird durch dieses Gesetz aus dem Verkehr gezogen. Das neue Geld heißt 'Deutsche Mark'."

Am Sonntag, dem 20. Juni, wurde das neue Geld an den Schaltern ausgegeben, an denen sonst immer die Lebensmittelkarten abzuholen waren. Jeder Deutsche bekam an diesem Tag 40 Deutsche Mark, einen Monat später noch einmal 20 Mark. Jeder Deutsche war also an diesem Sonntag gleich arm oder reich.

Tag Eins nach der Reform

Die Frage war nur: Was würde am Montag geschehen, wie würden die Deutschen mit dem neuen Geld umgehen, wie würden sich die Preise entwickeln? Und vor allem: würde das neue Geld die gehorteten Waren aus den Lagern in die Läden locken?

Was am Montag und den Tagen darauf geschah, konnten die Deutschen nach neun Jahren Krieg und Nachkriegszeit kaum glauben: Die Läden füllten sich mit Waren, plötzlich gab es wieder fast alles zu kaufen. Die Wochenschau im Kino hielt dieses ungläubige Staunen fest: "Kurz nach der Währungsreform macht die Kamera einen Bummel über den Wochenmarkt und fängt dabei Bilder ein, die noch vor kurzer Zeit wie Trugbilder gewirkt hätten: Gemüse in Hülle und Fülle und Ware von bester Qualität. Man fragt nach dem Preis, kauft und geht befriedigt nach Hause. Jetzt ist Geld wieder alles. Die Regale füllen sich. Die Lager geben her, was so lange nicht zu haben war. Käufer und Ladeninhaber spüren, was die Stunde geschlagen hat. So geschehen im Sommer 1948."

Ein Wunder, für das es im Nachhinein viele Erklärungen gibt. Die Betriebe hatten für den Tag "X" jede Menge Waren vorproduziert, aber zurückgehalten, um dafür kein altes, schlechtes Geld zu bekommen, sondern das neue, das begehrte.

Von der Währungsreform zum Wirtschaftswunder

Dass aus der Währungsreform ein Wirtschaftswunder wurde und nicht nur ein kurzfristiger Kaufrausch, ist aber nicht den alliierten Besatzungsmächten zu verdanken, sondern einem Mann namens Ludwig Erhard.

Der gebürtige Franke war Wirtschaftsdirektor der US-amerikanisch-britischen Zweizonenverwaltung. Er erklärte zeitgleich mit der Währungsreform sämtliche Bezugsscheine für ungültig. Ein ungeheures Wagnis. Während überall in Europa der Nachkriegsmangel mit Planwirtschaft verwaltet wurde, setzte Erhard auf die freien Marktkräfte.

Das knappe Geld, die Preise sollten der Anreiz für eine optimale Güterversorgung werden. Kritiker hielten dem späteren Wirtschaftsminister und zweiten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland damals vor, er wolle die Wirtschaft, die einem todkranken Mann glich, ins kalte Wasser werfen.

Die gute alte D-Mark

Aber es funktionierte. Pro Quartal wuchs die deutsche Wirtschaft um zehn bis zwölf Prozent, bei moderaten Inflationsraten und rasch steigender Produktivität. Das gab Spielraum für Lohnerhöhungen, schuf neue Kaufkraft.

Ende der 1960er-Jahre gab es in Deutschland Vollbeschäftigung. Der Außenhandel florierte, weil die "D-Mark" in den ersten Jahren chronisch unterbewertet war, deutsche Produkte auf dem Weltmarkt billig waren und so eine starke Exportindustrie entstehen konnte. Mit ihr stieg die D-Mark auf zu einer der begehrtesten Reserve- und Anlagewährungen der Welt, zum Stabilitätsanker für Europa.

Kein Wunder also, wenn sich mit dem Abschied von der D-Mark und der Einführung des Euro bei vielen Deutschen etwas Wehmut mischte. Denn wer weiß schon, ob dem Euro jemals eine solche Erfolgsstory beschieden sein wird wie der guten alten D-Mark.


Autor: Rolf Wenkel
   
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