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17.6.1953: Aufstand in der DDR
Die mit dem "Aufbau des Sozialismus" verordnete allzu rasche Schwerindustrialisierung der DDR ging dort zu Lasten des allgemeinen Konsums. Im Frühjahr 1953 wurden die Lebensmittelpreise drastisch erhöht. Die Flucht der DDR-Bürger nach Westdeutschland erreichte Monat für Monat neue Höchstmarken. Doch die führende Staatspartei SED hielt streng stalinistischen Kurs. Ihr Diktat einer zehnprozentigen Normerhöhung bei gleichem Lohn brachte das Fass zum Überlaufen.

Am 16. Juni streikten auf der Großbaustelle Berlin, Stalinallee die Arbeiter. Mit 80 Mann fing es an. Dann zogen sie los; schnell waren es 1.500 geworden. Ihr Zug bewegte sich zum Alexanderplatz.

Als der Zug den Alex erreicht hatte, waren es 3.000 Arbeiter geworden. An den Straßen stauten sich die Menschen, klatschten Beifall, reihten sich ein in die Reihen der marschierenden Arbeiter.

"Sucht eure Strausberger Plätze überall!"

Sprechchöre formierten sich. Die Arbeiter riefen: "Wir fordern Normen- und Preissenkungen". Sie riefen: "Wir fordern freie Wahlen! Weg mit der SED-Regierung!" Aus dem Demonstrationszug der Bauarbeiter von der Stalinallee war ein Demonstrationszug der Ostberliner geworden.

Vor dem Haus der Ministerien forderten 3.000 Streikenden, die DDR-Führung zu sprechen - doch vergebens. Im Laufe des 16. Juni hatte zwar die Regierung die Rücknahme der Normenerhöhung verlautbart, doch keiner der Demonstranten vertraute darauf. Für den nächsten Tag verbreitete sich die Losung vom "Generalstreik" wie ein Lauffeuer.

Dazu wollte man sich auf dem Strausberger Platz versammeln. Der Westberliner Radio-Sender RIAS berichtete laufend über den Streik. Am Abend des 16. Juni rief der Gewerkschaftsvorsitzende Scharnowski über diese Ätherwelle alle DDR-Bürger unmissverständlich zur Solidaraktionen mit den Berliner Streikenden auf: "Lasst sie nicht allein! Sie alle kämpfen nicht nur für die sozialen Rechte der Arbeitnehmer, sondern für die allgemeinen Menschenrechte der gesamten ostzonalen Bevölkerung. Tretet darum der Bewegung der Ostberliner Bauarbeiter bei und sucht eure Strausberger Plätze überall."

Ausnahmezustand

Am Morgen des 17. Juni 1953 drängten die Arbeiter von Baustellen und Betrieben zu Zehntausenden in die Berliner Innenstadt, versammelten sich auf dem Alex, dem Potsdamer und Strausberger Platz, zogen von Unter den Linden zum Brandenburger Tor. Dort wurde unter dem Beifall der Menge die Rote Fahne heruntergerissen. Überall wurden Verwaltungsgebäude und Polizeidienstellen gestürmt, Partei-Büros verwüstet. Der lange aufgestaute Zorn der Massen brach sich Bahn.

Gegen Mittag fuhren schwere Kampfpanzer der Roten Armee auf, Sowjet-Truppen bezogen Stellungen. Ab 13.00 Uhr galt der Ausnahmezustand. Maschinengewehrsalven bellten durch Ostberlin. Es gab zahlreiche Tote und Verwundete - und es gab standrechtliche Erschießungen. Am Abend herrschte Ausgangssperre.

In einer Reportage hieß es damals: "Potsdamer Platz, 22.00 Uhr. Wir blicken nach Ostberlin, und die Straßen liegen in Totenstille. Wir wissen, dass in den Grünanlagen des Potsdamer Platzes Kasernierte Volkspolizei und Russen in Deckung gegangen sind - und auf jeden schießen werden, der die Sektorengrenzen überschreitet."

Blutige Niederschlagung des Aufstandes

Auch in den anderen Industriezentren der DDR hatte die Nachricht vom beabsichtigten Generalstreik die gereizten Massen mobilisiert. In über 400 Orten und 600 Betrieben forderten Demonstranten niedrigere Arbeitsnormen und freie Wahlen. Und überall in der DDR, als letzte Rettung des SED-Regimes: sowjetische Panzer.

Anstatt einer grundlegenden Änderung ihrer Politik verunglimpften die hart gesottenen SED-Stalinisten den Aufstand vom 17. Juni sogleich dreist als "von außen hineingetragene Provokation".

In der am Abend des 17. Juni verlesenen Radio-Erklärung des DDR-Ministerrats wurde bereits mit Rache gedroht: "Die Unruhen, zu denen es (danach) gekommen ist, sind das Werk von Provokateuren und faschistischen Agenten ausländischer Mächte. Die Schuldigen an den Unruhen werden zur Verantwortung gezogen und streng bestraft. Alle ehrlichen Bürger werden aufgerufen, die Provokateure zu ergreifen und den Staatsorganen zu übergeben. Die Regierung der DDR. Berlin, den 17. Juni 1953."

Zum Gedenken

In der Folge wurden DDR-weit rund 20.000 der Demonstranten verhaftet und verhört, Tausende so genannte "Rädelsführer" landeten im Zuchthaus, die exakten Zahlen der Opfer sind nicht bekannt. Im demokratischen Westdeutschland reagierte man prompt: Der 17. Juni wurde für zwei Generationen zum "Tag der deutschen Einheit" - bis zur Wiedervereinigung.


Autor: Daniel Danisch
   
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