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26.1.1790: "Così fan tutte"
Die ersten Takte der "Oper Così fan tutte", die wohl wie keine andere Oper Mozarts missverstanden, angegriffen und abgelehnt wurde, verraten noch wenig von der Geschichte, die Lorenzo da Ponte in seinem Libretto erzählt. Es ist eine Geschichte über Treue, genauer, über Untreue zwischen Menschen, zwischen den Geschlechtern.

Der alte Zyniker Don Alfonso reizt die beiden Offiziere Guglielmo und Ferrando mit der Behauptung, bei Frauen sei die Tugend der Beständigkeit nicht sehr ausgeprägt. Die jungen Schwärmer sind empört und gehen mit Don Alfonso eine Wette ein. In einem abgekarteten Spiel soll die Verlässlichkeit ihrer Verlobten Fiordiligi und Dorabella auf die Probe gestellt werden.

Nach allerlei Verwicklungen und raffinierten Arrangements gelingt es, die Frauen der Untreue zu überführen. Sie geben den Avancen ihrer Liebhaber nach. Und - welche Ironie - es sind Guglielmo und Ferrando, die sich schließlich mit Erfolg um die Verlobte des jeweils anderen bemüht haben. Groß ist der Schrecken bei Fiordiligi und Dorabella, als ihre Untreue ruchbar wird.

Ein vortreffliches Werk

Über die Entstehungsgeschichte von "Così fan tutte" ist wenig bekannt. In Mozarts Korrespondenz finden sich allenfalls zwei Einladungen an seinen Gönner Puchberg und an Haydn, mit der Bitte, Proben anzuhören, die erste bei ihm zu Hause am 31. Dezember 1789 und die zweite im Wiener Burgtheater am 21. Januar 1790.

Sechs Tage nach der ersten Orchesterprobe findet die Uraufführung statt. Der knappe Text im damals viel beachteten "Journal des Luxus und der Moden" lässt auf eine zunächst gute Aufnahme schließen. Dort heißt es: "Das Theater habe wieder ein vortreffliches Werk von Mozart erhalten". Und dann: "Von der Musik ist alles gesagt, dass sie von Mozart ist". Allerdings unterbrach der Tod des Kaisers Joseph II. das Wiener Theaterleben und setzte auch der Aufführungsserie von "Cosí fan tutte" ein frühzeitiges Ende.

Süße Melodien mit zynischem Text

Da Pontes Libretto zu "Così fan tutte" ist - objektiv betrachtet - ähnlich wie Mozarts Musik ein Meisterwerk der Zwischentöne, der Ironie und der Doppeldeutigkeit, genauso perfekt gearbeitet wie seine Texte zu "Figaro" und "Don Giovanni". Im Fall von "Così fan tutte" nahm man jedoch heftigen Anstoß an dem Zynismus, mit dem Da Ponte das Thema Liebe abhandelt - nach dem Motto: Verlässlichkeit und Treue existieren nicht, keiner sollte darauf bauen. Mozarts erster Biograf Franz Xaver Niemetschek schrieb: "Man wundert sich allgemein, wie der große Geist sich herablassen konnte, an ein so elendes Machwerk von Text seine himmlisch süßen Melodien zu verschwenden."

Und weiter liest man über Mozart: "Wenn man den schlechten Text dieser Oper betrachtet, so muss man über die Fruchtbarkeit seines dichterischen Genius erstaunen, der fähig war, ein so trockenes, einfältige Sujet zu beleben und solche Schönheiten hervorzubringen."

Geniale Musikkomödie

Da Ponte operiert schonungslos, gewährt seinen Protagonisten weder moralischen noch metaphysischen Rückhalt. Das war nicht gerade das Theater als moralische Anstalt, wie es sich Schiller im Zeitalter des sich ausbildenden bürgerlichen Selbstbewusstseins vorstellte. Und dass die Stoßrichtung gleich auf die Hälfte der Menschheit zielte, nämlich auf die Frauen, wurde als besonders schändlich empfunden.

Entstellende weil abmildernde deutsche Fassungen des Textbuches in bravem Singspielton konnten die Akzeptanz ebenso wenig steigern wie eine frühzeitige Umbenennung. Statt "Così fan tutte", "So machen es alle", prangte auf dem Titelblatt der Partitur-Erstausgabe: "Weibertreue oder die Mädchen sind von Flandern".

Der Umschwung in der Bewertung der Oper kam erst Ende des 19. Jahrhunderts und ist verknüpft mit dem Namen Richard Strauss und mit der Neueinstudierung des wiederhergestellten Originals im Jahre 1897 durch das Münchner Residenztheater. 100 Jahre musste Mozarts geniale Musikkomödie ausharren, bis sie endlich über prüdes Biedermeiertum siegte.


Autor: Gero Schließ
   
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