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20.1.1942: Die Wannseekonferenz |
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Die stille Villenstraße "Am großen Wannsee" gehört zu den feinen Adressen in Berlin. Dort hatte die "Stiftung Nordhav" Ende der 1930er-Jahre das Anwesen Nummer 56 bis 58 erworben. Die Villa sollte als Erholungsort für Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der SS und deren Angehörigen dienen.
Hausherr und Gründer der Stiftung war Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, der Polizei- und der Geheimdienstzentrale des NS-Staates. Er war einer der wichtigsten Männer des Regimes, wichtiger als fast alle Reichsminister. Weisungen empfing er, von Hitler abgesehen, nur von Hermann Göring, dem zweiten Mann im Staat und von Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS, seinem unmittelbaren Vorgesetzten.
Die Konferenz
Am 20. Januar 1942 versammelte Heydrich in eben jener Villa 14 Staatssekretäre, hohe SS-Offiziere und Ministerialbeamte. Vertreten waren unter anderem das Justizministerium, das Innenministerium, das Auswärtige Amt und das Amt des Generalgouvernements. Amtsintern wurde dieses Treffen als "Konferenz der Staatssekretäre" bezeichnet - heute spricht man von der Wannseekonferenz.
Die Besprechung begann um 12 Uhr und endete nach knapp zwei Stunden weder mit einem Beschluss noch einer Anordnung, sondern in der Art einer eingespielten Runde von Technokraten. Es existiert von ihr auch keine Mitschrift wohl aber eine Zusammenfassung: 15 locker beschriebene Seiten, niedergeschrieben von Adolf Eichmann, dem Judendezernent in der Reichszentrale der Polizei. Über zwei Jahrzehnte später wird er bei seinen Vernehmungen in Israel behaupten, er habe in diesen Aufzeichnungen "fürs Protokoll glätten, einen gewissen Jargon abmildern und in dienstliche Worte kleiden" müssen.
Die entsprechenden Passagen sprechen jedoch eine erschreckende Klarheit für die, die mit der Sprache der Unmenschen, des SS-Staates vertraut waren. Aus den Aufzeichnungen: "Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen unter Trennung der Geschlechter werden die arbeitsfähigen Juden Straßen bauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürlich Verminderung ausfallen wird. Der allfällig verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesen zweifellos um den widerstandsfähigsten handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser eine natürlich Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist."
NS-Völkermord
Auf der Wannseekonferenz wurde indes nicht die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen, ein Irrtum, der sich immer noch in manchen Geschichtsbüchern findet. Die Planungen für die Vernichtung des europäischen Judentums waren längst angelaufen. Begonnen hatte es mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941. Ihm fielen bis zum Jahresende über eine halbe Mio. Menschen zum Opfer, die Order dazu hatte Göring schon Ende Juli 1941 erteilt: "(...) alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen, für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussbereich in Europa (...)."
Von September 1941 an mussten alle Juden im Deutschen Reich in der Öffentlichkeit den gelben Judenstern tragen. Wenig später folgte dann das generelle Auswanderungsverbot. Damit war ihnen die letzte noch verbliebene Fluchtmöglichkeit genommen. Am 15. Oktober desselben Jahres wurden in Berlin die ersten Juden aus Deutschland deportiert.
Etwa zur gleichen Zeit beginnt im ersten Vernichtungslager, im polnischen Chelmno, Hitlers Mordmaschinerie anzulaufen. Seit Dezember 1941 werden dort vor allem polnische Juden aus Lodz und Umgebung in Gaswagen getötet. In dieser Hinsicht gab es also nichts mehr zu beschließen. Wenn es nicht der Anfang vom Holocaust war, was war dann am Großen Wannsee am 20. Januar 1942 wirklich geschehen?
Behördlich organisierter Genozid
Herren in Uniform und Herren in Zivil hatten die beabsichtigte Ermordung von elf Mio. Menschen zur Kenntnis genommen. Als Bürokraten und Funktionäre der wichtigsten Reichsbehörden wurden sie offiziell zu Mitwissern des nunmehr behördlich organisierten Genozids. Sie hatten pflichtgemäß reagiert; der Völkermord war zum Verwaltungsakt geworden. Und die Menschen? Sie hatten sich längst angewöhnt, wegzuschauen, wenn sie denn die jüdischen Nachbarn überhaupt noch wahrnehmen wollten oder konnten. Ein Widerstand gegen die geplante Ausrottungspolitik existierte nicht mehr.
War es Zufall, war es Absicht? Genau zehn Tage nach der Konferenz am Wannsee lässt Hitler in einer Rede im Berliner Sportpalast endgültig die Maske fallen und seinem Hass auf die Juden freien Lauf: "Ich habe (es) am 3. September im Deutschen Reichstag schon ausgesprochen, und ich hüte mich vor voreiligen Prophezeiungen, dass dieser Krieg nicht so ausgehen wird, wie die Juden es sich vorstellen, nämlich, dass die europäischen arischen Völker ausgerottet werden, sondern, dass das Ergebnis dieses Krieges die Vernichtung des Judentums ist. Zum ersten Mal werden nicht andere allein verbluten, sondern zum ersten Mal wird dieses Mal das echt altjüdische Gesetz angewendet: Aug um Aug, Zahn um Zahn." Wohl niemand konnte danach noch sagen, er habe von allem nichts gewusst.
Autor: Bernd Wegmeyer |
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