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19.1.1829: "Faust" |
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Es war nur eine simple Volkserzählung, die Geschichte vom gelehrten Doktor, der seine Seele dem Teufel verschreibt. In Deutschland kannte sie jedes Kind. Als aber 1808 Goethes Version erscheint, sind die Reaktionen phänomenal: jetzt gilt der immerhin schon 60-jährige Goethe unangefochten als Deutschlands größter Dichterfürst, jetzt beginnen die wallfahrtsartigen Besuche zu seinem Wohnhaus am Weimarer Frauenplan.
Trotzdem sollten noch mehr als 20 Jahre vergehen, bis "Faust: Der Tragödie erster Teil" auf die Bühne kommt. Dr. Ulrike Müller Harang von der Stiftung Weimarer Klassik sagte dazu: "Das hängt damit zusammen, dass von Seiten Goethes gar kein Interesse bestand, er hat es nie für die Bühne geschrieben. Er war ja Theaterdirektor in Weimar, er hätte es locker machen können, aber der Faust war irgendwie eine Besonderheit."
"Faust" auf der Bühne
Das Stück war nicht nur zu lang, sondern viele Szenen waren damals rein technisch gar nicht darstellbar, etwa die Szene in der Hexenküche oder der Ritt durch die Nacht. Wohl hatte es mehrfach Versuche gegeben, das Stück auf die Bühne zu bringen, zum Beispiel in Berlin und Breslau, aber die Bearbeitungen fanden nie Goethes Zustimmung. Als ihm die Braunschweiger Fassung vorgelegt wurde, hatte Goethe - fast 80-jährig - wohl die Weisheit und Gelassenheit des Alters erreicht; er meinte lakonisch: sie, die Braunschweiger, sollten doch mit dem Stück machen, was sie wollten. Das taten sie dann auch - dank des theaterfreudigen Regenten Karl II. von Braunschweig.
Dr. Müller Harang dazu: "Der Direktor des Braunschweiger Hoftheaters, August Klingemann, hatte selbst einen "Faust" geschrieben - wie es viele "Fäuste" zu der Zeit gab. Er hatte ihn im Oktober 1828 in Braunschweig aufgeführt. Wie bei allen Stücken war der Herzog auch zugegen, und er äußerte sich sehr zufrieden. Aber der Theaterdirektor zeigte sich bescheiden: "Na ja, ein Goethischer Faust ist es natürlich nicht." Da hat der Herzog aufgehorcht "Ach, Goethe hat auch einen geschrieben? Den müssen wir aufführen!""
Die Uraufführung am 19. Januar 1829 in Braunschweig wurde ein großer Erfolg: Heinrich Marr, der bekannteste Schauspieler seiner Zeit, glänzte in der wohl schillerndsten Rolle des ganzes Stückes, dem Mephisto. Es hat seither viele große Mephisto-Darsteller gegeben, aber geradezu legendär geworden ist Gustaf Gründgens in dieser Rolle.
Peter Steins "Faust"
Goethes "Faust" ist von den Bühnen dieser Welt nicht mehr wegzudenken. Weimar zum Beispiel lädt jeden Sommer zum Kunstfest eine neue Faust-Inszenierung ein. In der Fülle der Faust-Projekte jedoch ragte eines ob seiner Anmaßung und Ausmaße heraus: Zur Expo 2000 in Hannover brachte der Regisseur Peter Stein den ganzen Faust auf die Bühne, Teil eins und zwei zusammen, ohne jede Streichung. Auf einer Pressekonferenz in Berlin sagte er im Vorfeld der Inszenierung: "Wenn Sie eine Faust-Eins-Inszenierung sehen, die dreieinhalb Stunden dauert, können Sie sicher sein, dass 50 Prozent fehlen. Wenn sie eine Faust-Zwei-Inszenierung sehen, die dreieinhalb Stunden dauert, dann können Sie sicher sein, dass 80 Prozent gestrichen sind. Das sind keine Strichfassungen mehr, dass sind Verstümmlungen!"
26 Stunden dauerte der Faust-Marathon in Hannover, aufgeteilt auf zwei Tage und auf zwei Hallen, zwischen denen die Zuschauer hin und her wanderten. Die Spielstätten wurden abwechselnd für die jeweils nächste Szene vorbereitet - mal als Puppentheater, dann als Fastnachtsprozession, dann wieder als griechisches Theater. Die Angebote, die Goethe mit seinem Lebenswerk gemacht hat - Peter Stein griff sie alle auf - auch die Idee Goethes aus dem Vorspiel, die Aufführung als Fest zu gestalten, Stein sagte darüber: "So wird einmal innerhalb dieses Stückes ein großes Besäufnis mit den Zuschauern organisiert und ein anderes Mal ein großes Essen. Das heißt, der Zuschauer wird durch die verschiedenen Szenen dieser Tragödie wandern, einer Art Menschheitstragödie in dem Sinn, dass der alte Goethe das Scheitern jeglicher menschlicher Tätigkeiten beschreibt."
Autorin: Kerstin Schmidt |
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