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17.1.1988: Verhaftungen in Berlin
"Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden" und "Gegen Berufsverbote in der DDR" stand auf Transparenten, die der Liedermacher Stephan Krawczyk und andere am 17. Januar 1988 auf der staatsoffiziellen "Kampfdemonstration zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg" in Ost-Berlin zeigen wollten.

Doch die Stasi war schneller. Sie nahm 120 Menschen, darunter neben Krawczyk auch die Dissidentin Vera Wollenberger, noch zu Hause oder auf dem Weg zur Demonstration fest. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, bestürzt reagierte vor allem auch Krawcyks Frau Freya Klier: "Wir fordern deshalb von der Regierung der DDR die sofortige Freilassung des Liedermachers Stefan Krawczyk. Wir appellieren an die Künstler der BRD, nicht in der DDR aufzutreten, solange der Liedermacher Stefan Krawczyk in einer Haftanstalt verwahrt wird. Ihr, die Ihr dieses Land kennt, setzt Euch verstärkt für die Freilassung von Stefan Krawczyk ein. Helft uns, damit nicht völlige Nacht über uns hereinbricht."

Blankes Entsetzen und Protest

Der verzweifelte Appell, festgehalten auf einem in die Bundesrepublik geschmuggelten Amateurvideo, war das zunächst letzte Lebenszeichen der Theaterregisseurin. Wenige Tage später fielen sie und weitere prominente DDR-Dissidenten, darunter auch Bärbel Bohley, einer zweiten Verhaftungswelle zum Opfer.

Blankes Entsetzen, aber auch Protest machten sich breit, in der DDR wie in der Bundesrepublik. Denn nach einer kurzen Zeit der innenpolitischen Entspannung kamen die Festnahmen eigentlich überraschend, wie auch die grüne Politikerin Petra Kelly, die engen Kontakt zur Dissidenten-Szene in der DDR hatte, damals bemerkte: "Es ist für mich fast unerträglich, muss ich sagen, zu einem Zeitpunkt, wo wir mit Glasnost so gehofft haben, die DDR plötzlich Menschen verurteilt, demütigt und diskriminiert, die zu unseren besten und engsten Freunden gehören. Zum Beispiel Bärbel Bohley, meine sehr enge Freundin. Diese Menschen, glaube ich, praktizieren Glasnost genau wie wir alle das wünschen, wie Herr Gorbatschow das wünscht. Die DDR-Führung versteht es nicht. Und dabei sind es Menschen in der DDR, die alles zum Guten wenden möchten, die auch dort Veränderungen im positiven Sinne haben möchten, im Sinne, dass sie auch nicht ausreisen möchten."

Ausreise verweigert

Petra Kelly schätzte die Situation aber nur teilweise richtig ein. Denn ein Großteil der auf der Demonstration Festgenommenen waren DDR-Bürger, deren Ausreiseanträge abgelehnt worden waren. Sie hatten sich in der Vergangenheit der Oppositionsbewegung angeschlossen und waren mit ihren Anliegen bei manchem Dissidenten auf offene Ohren gestoßen. Verständnis fanden sie auch bei Stefan Krawczyk und bei Freya Klier, die sagte: "Ich habe aufgehört, vor allem bei jungen Menschen, sie zu rütteln und zu sagen: Du musst hier bleiben! Ich habe das wirklich sehr gut beobachtet, wie wenige Chancen manche haben. Gerade die, die ein bisschen wacher sind und Engagement zeigen, die werden doch ganz schnell rausgedrückt aus dem Prozess und wollen natürlich raus. Sie wollen gar nicht mal in den Westen, sondern sie wollen hier weg."

Die Ausreisewilligen waren die eigentlichen Initiatoren des Protestmarsches bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration. Der regimekritische DDR-Schriftsteller Stefan Heym merkte dazu an, dass " (...) Wer auch immer mitgemischt hat in der Sache, von den Organen, von irgendwelchen Gruppen, dass sie denjenigen Leuten in der DDR, die wirklich ernsthaft versuchen, etwas zu verbessern, zu verändern, zu demokratisieren, einen sehr schlechten Dienst erwiesen haben."

Abschiebung

Denn unter den insgesamt 170 DDR-Bürgern, die nach dem 17. Januar 1988 in den Westen abgeschoben wurden, waren auch Dissidenten, die eigentlich in der DDR bleiben wollten. "Landesverräterische Beziehungen" warf ihnen die Staatsführung vor, darauf standen in der DDR bis zu zwölf Jahre Haft.

Freya Klier und Stefan Krawczyk stellten noch in der Untersuchungshaft einen Ausreiseantrag, Bärbel Bohley, Wolfgang Templin und seine Frau, Vera Wollenberger und einige andere wurden in Geheimprozessen zunächst verurteilt und erst anschließend abgeschoben. Die SED hatte scheinbar einen Sieg errungen, doch für die Ausreisewilligen war es ein Signal: Wer sich politisch engagiert, ist schnell draußen. Und zum Ende der DDR sollte eineinhalb Jahre später die Abstimmung mit den Füßen werden.


Autorin: Sabine Kinkartz
   
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