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13.1.1782: "Die Räuber" in Mannheim |
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Bei Nacht und Nebel hatte er sich ohne herzogliche Beurlaubung aus Stuttgart davongestohlen. Nun saß der 22-jährige Regimentsmedikus Johann Christoph Friedrich Schiller unerkannt in der dunklen Parterre-Loge der Mannheimer Nationalbühne.
1.200 Zuschauer hatten sich an diesem 13. Januar des Jahres 1782 ins Schauspielhaus gedrängt, um "Die Räuber" zu erleben, das berüchtigte Stück, das sie vom Papier her schon kannten. Zu Ross und mit dem Wagen waren sie aus der weiten Umgebung gekommen: aus Darmstadt und Heidelberg, aus Mainz, Worms, Frankfurt und Speyer. Nun hörten sie es mit eigenen Ohren.
Urkonflikte menschlichen Daseins
1. Akt, 2. Szene, Moor: "Pfui! Pfui über das schlappe Kastratenjahrhundert, zu nichts nütze, als die Taten der Vorzeit wiederzukäuen, und die Helden des Alterthums mit Kommentationen zu schinden, und zu verhunzen mit Trauerspielen. Die Kraft seiner Lenden ist versiegen gegangen, und nun muss Bierhefe den Menschen fortpflanzen helfen."
Schillers "Räuber" waren unerhört: eine dramatische Aufwallung. Mit biblischer Wucht lässt das Stück Urkonflikte menschlichen Seins aufleben: Kain und Abel, Vatermord, Liebe und Leid, Ehre und Gewissen, Pflicht und Verrat.
Es poltert gegen Gottlosigkeit und ist dennoch antiklerikal. Es zeigt Brandschatzung, Männerbund und Nonnenschändung. Derb und deftig ist die Sprache, tolldreist sind die Räuber in den böhmischen Wäldern, die sich gegen Obrigkeiten auflehnen und sich dennoch einer Autorität beugen: "Führ uns an, Hauptmann!", begehren sie im 2. Akt, "wir folgen dir in den Rachen des Todes."
Ruf nach Republik
Es ist, wenige Jahre vor der Französischen Revolution, ein politisches Stück, das Karl Moor die Stimme des Aufbegehrens verleiht: "Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus."
Dann zeigt der junge Medikus Friedrich Schiller, was Sturm und Drang bedeuten, wenn es um politische Ziele, revolutionäres Aufbegehren geht, wenn Moor, der kommende Räuberhauptmann, verkündet: "Stelle mich vor ein Heer Kerls wie ich, und aus Deutschland soll eine Republik werden."
Und was für eine Republik! Rom und Sparta würden Nonnenklöster dagegen sein. Kein Wunder, dass bei dieser unbändigen Sprache Schiller bald aus der gräflich-württembergischen Residenzstadt Stuttgart nach Mannheim fliehen muss, in die pfälzisch-kurfürstliche Residenz, ins "Paradies der Muse", an den Ort, an dem die "Räuber" geboren wurden, wie es ein kunstgeschichtliches Sittenbild vermerkt.
Schiller traf Zeitgeist
Hielten sich die Zuschauer im Nationaltheater anfangs noch zurück, im vierten Bild brach das Eis. Das Theater, berichtete ein Augenzeuge, glich einem Irrenhaus. Beifallsdonner, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, Aufschreie. Die Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, der Ohnmacht nahe, zur Tür. Es herrschte Chaos.
Das junge Genie Schiller hatte den Zeitgeist getroffen, und mit seiner zornigen Revolte gegen Tyrannei und absolutistische Herrschaft zugleich eine Rebellion gegen die starren Formen des Theaters angeführt.
Autor: Hanno Murena |
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