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4.1.1968: "Zur Sache, Schätzchen"
Ausgerechnet 1968, im Jahr, als das Festival von Cannes abgebrochen und die Berlinale von Protesten und Tumulten erschüttert wurde, kam der Debütfilm der jungen May Spils "Zur Sache, Schätzchen" in die Kinos,

In Venedig kam Alexander Kluges "Die Artisten in der Zirkuskuppel - ratlos" zu Goldenen-Löwen-Ehren, der "Neue Deutsche Film" wurde damit auch international geadelt. Die Oberhausener Autorenfilmer drückten mit engagierten Werken dem deutschen Film ihren Stempel auf. Auf der anderen Seite feierten Dirndl- und Lederhosenfilme sowie Aufklärer Oswald Kolle Triumphe an den Kinokassen.

Der Nerv der Zeit

Und dann kam "Zur Sache, Schätzchen" von der erst 26-jährigen May Spils, der wie die Tageszeitung "Die Welt" damals schrieb "ersten unübersehbaren Regisseurin des deutschen Films seit Leni Riefenstahl". "Zur Sachen, Schätzchen" traf den Nerv der Zeit und brachte das Lachen auf intelligente Art und Weise zurück in die deutschen Lichtspielhäuser.

Lachen in den Lichtspielhäusern

Lachen konnte das Publikum über die beiden Taugenichtse Martin und Henry, die im Münchener Stadtteil Schwabing herum lungerten, Mädchen anmachten, jede Menge coole Sprüche auf den Lippen und Spaß daran hatten, die Polizei zu provozieren. Der Kritiker Helmut W. Banz schrieb damals für mehrere Tageszeitungen: "Das beste war, dass er nicht zwei Gammlertypen - Werner Enke und Henry van Lyck, die ein Mädchen aufgabelten: Uschi Glas - als verquere Außenseiter zeigte, sondern, dass der andere Blick, den sie auf die Realität hatten, plötzlich die Normalität des damals gesellschaftlich akzeptierten Lebens in Frage stellte, so dass der Zuschauer sich eigentlich in der Position sah, dass der Blick auf ihn zurückgeworfen wurde. Er sah plötzlich, wie absurd gewisse gesellschaftliche Verhaltensweisen wie die des Geldverdienens und der Normen der Gesellschaft im Gegeneinanderprall gegen dieses Trio wurde."

Subversive Komödie

Eine harmlose Komödie also nur auf den ersten Blick. Unter der glatten Oberfläche verbreitete "Zur Sache, Schätzchen" subversive Kraft. Also doch ein 68er Film!

Damals wurden Filme im deutschen Feuilleton stets auf ihre gesellschaftliche Relevanz abgeklopft. Doch "Zur Sache, Schätzchen" war in erster Linie ein ungemein witziger Film, "der Ausdruck des Lebensgefühls einer ganzen Generation war", wie Hilmar Hoffmann in seiner Schrift "Papas Kino stirbt" schrieb.

Keine Position und keine Einordnung

Es war der schnodderige Ton der Darsteller, die lässig dahin geworfenen Phrasen, die "Zur Sache, Schätzchen" so bemerkenswert für die Zeit machten und das junge Publikum in Bann zogen. Helmut W. Banz über die damalige Wirkung: "(…) ist interessant, dass er damals überhaupt nicht irgendwelche soziologischen, psychologischen, volkshochschulmäßigen oder jugendpädagogischen Positionen vertrat, ganz im Gegensatz etwa zu Schlöndorffs "Mord und Totschlag" oder Johannes Schaafs "Tätowierung" oder ähnlichen Filmen, scherte er sich um diese Einordnungen einen Dreck."

Zur Sache, Schätzchen

Ein paar Wörter und Pointen wie auch der Titel schafften den Sprung von der Leinwand hinunter in den allgemeinen Sprachgebrauch, immer ein verlässliches Zeichen dafür, dass ein Film tatsächlich den Nerv der Zeit trifft. "Nicht fummeln, Liebling" sollte Spils nächster Film heißen.

Doch aus dem "Schätzchen"-Team schaffte nur Uschi Glas den Karrieresprung. May Spils und die anderen verschwanden nach ein paar Jahren wieder in der Versenkung.

Autor: Jochen Kürten
   
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