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27.2.1933: Der Reichstag brennt
Kurz nach 21.30 Uhr verließ der kommunistische Fraktionschef Torgler als letzter Abgeordneter das hohe Haus. Eine halbe Stunde später ging rechts vom Hauptportal unter der Widmung "Dem deutschen Volke" eine Scheibe zu Bruch.

Ein Mann, nur schattenhaft zu erkennen, wie der Student Hans Flöter später berichten sollte, stieg vom Balkon in das Gebäude, und wenig später war durch die Fenster ein Feuerschein zu sehen.

Als der Berliner Reichstag in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 in Flammen stand, verbrannte mit ihm auch die noch junge Weimarer Demokratie. Die schnell alarmierte Feuerwehr entdeckte zunächst eine Reihe relativ kleiner Brandstellen in den weitläufigen Wandelgängen und im Plenarsaal.

Den Brand genutzt

Einige Minuten danach zerbarst dessen gläserne Decke mit explosionsartigem Knall, die Brände im holzgetäfelten Plenarsaal flammten plötzlich zu einem Großfeuer auf. Fast gleichzeitig wurde im Bismarcksaal ein junger Mann festgenommen - erschöpft und mit bloßem Oberkörper: Der niederländische Anarchist Marinus van der Lubbe. Im Reichstagsbrandprozess sollte van der Lubbe später aussagen, dass er mit seiner Aktion ein Fanal gegen das NS-Regime setzen wollte.

Der Reichstag selbst wurde bis auf den ausgebrannten Plenarsaal kaum in Mitleidenschaft gezogen. Die NSDAP indes nutzte den Brand zur Verfolgung politischer Gegner und Andersdenkender.

Noch in der Brandnacht wurden 5.000 Oppositionelle verhaftet, vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten. Tags darauf trat die Notverordnung "Zum Schutz von Volk und Staat" in Kraft, wie es in der demagogischen Sprache des NS-Regimes hieß. Damit waren alle wesentlichen Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt.

Beginn des Prozesses

Im September 1933 begann am Reichsgericht zu Leipzig der Prozess gegen Marinus van der Lubbe und vier Mitglieder der Kommunistischen Partei - unter ihnen der spätere Ministerpräsident Bulgariens: Georgi Dimitroff.

Vor Gericht als Zeuge der Anklage - der Reichstagspräsident und preußische Innenminister Hermann Göring: "Als Graf Helldorf von dem Brand hörte, war ihm wie jedem von uns klar, dass die Kommunistische Partei es gewesen sein musste. (...) Ich habe ihn dann hier in mein Zimmer geholt und ihm gesagt, dass ich ihn jetzt bitten musste, seine SA ebenfalls zur Verfügung zu stellen. Sie müssen jetzt alle verhaftet werden, worauf er mir, glaube ich, sogar gesagt hat, das habe er zum Teil schon angeordnet."

Göring musste indirekt zugeben, dass die Kommunisten als Brandstifter noch vor jeder Untersuchung feststanden - und das, obwohl er angeblich ahnungslos in seinem Büro saß und die SA unter Führung des Grafen Helldorf die Verhaftungswelle von Oppositionellen bereits kurz nach dem Brand so minutiös planen und durchführen ließ.

Der Prozess

Während des Prozesses kam es zu einem hitzigen Rededuell zwischen Dimitroff und Göring, der vor Gericht in einem grell-braunen Jagdanzug erschien, in Kniehosen und hohen braunen Stiefeln und der aus der Fassung geriet, als Dimitroff ihm vorhielt, Deutschland würde diplomatische, politische und wirtschaftliche Beziehungen zur Sowjetunion unterhalten: "Ist dem Herrn Ministerpräsidenten Göring bekannt, dass diese Partei, die "man vernichten muss", den sechsten Teil der Erde regiert, nämlich die Sowjetunion, dass diese Sowjetunion mit Ihnen diplomatische und politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Deutschland unterhält, ist das bekannt?"

Göring erwiderte: "Jetzt will ich Ihnen sagen, was dem deutschen Volke bekannt ist: bekannt ist dem deutschen Volk, dass Sie sich hier unverschämt benehmen und hierher gelaufen kommen, den Reichstag anstecken und dann hier mit dem deutschen Volk noch Frechheiten sich erlauben! Ich bin nicht hierher gekommen, um von Ihnen mich anklagen zu lassen. Sie sind in meinen Augen ein Gauner, der längst an den Galgen gehört."

Verurteilung und Ungeklärtes

Am 23. Dezember verurteilte das Reichsgericht van der Lubbe, der im Prozess apathisch, wie unter Drogeneinwirkung stehend erschien, zum Tode. Dies stellte eine Verletzung des fundamentalen Rechtsprinzips "keine Strafe ohne Gesetz" dar. Van der Lubbe hätte nämlich nach dem zur Tatzeit geltenden Gesetz lediglich zu einer befristeten Zuchthausstrafe verurteilt werden dürfen.

Die angebliche Täterschaft der vier kommunistischen Mitangeklagten ließ sich nicht beweisen: Der Mitangeklagte Torgler wurde ebenso freigesprochen wie die drei bulgarischen KP-Funktionäre Popoff, Taneff und Dimitroff.

Die Frage, wer für die Brandstiftung verantwortlich war, ist noch immer umstritten.


Autor: Michael Marek
   
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