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26.2.1893: "Die Weber" uraufgeführt |
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Am Sonntag, dem 26. Februar 1893, hob sich im Berliner Theater am Schiffbauerdamm, zum ersten Mal der Vorhang über dem jüngsten Schauspiel Gerhart Hauptmanns. Das Stück, das an diesem Sonntagmittag uraufgeführt werden sollte, handelte von einer Rebellion. Sie lag 50 Jahre zurück, aber die Ereignisse von damals waren dem jungen Hauptmann aus Erzählungen sehr gegenwärtig. Sein Großvater war nämlich einer dieser armen, dem Hunger ausgelieferten schlesischen Weber gewesen, die im Jahre 1844 in den Orten Peterswaldau und Langenbielau den Aufstand geprobt hatten. Welcher allerdings mit einigen Schüssen und der Verhaftung von 80 Personen nach nur zwei Tagen niedergedrückt worden war.
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in diesen Weberhütten Dürftigkeit"
"Ich kann heut nicht begreifen, wieso es in einer Menschengemeinschaft von durchgängig höherer Lebenshaltung unbehindert so grausam wüten durfte," schrieb Gerhart Hauptmann am 25. September 1938 in den "Breslauer Neueste Nachrichten", rückblickend auf die Eindrücke, die er bei Recherchen für sein Stück in den schlesischen Weberhütten gewonnen hatte.
"Nun war alles in diesen Weberhütten Dürftigkeit. Ich gedenke dabei hauptsächlich des zweiten Häuschens, das ich besucht habe. Eine alte, noch die Spindel drehende, blinde Frau, ein Mädchen mit Glutaugen, kaum zehn Jahr, halbnackt, am Spinnrad. Dagegen am Webstuhl ein Riese, Gesicht und Haupt umwuchert von rotblonden Haarmassen, bärtig wie Wotan oder Zeus. Auch er bis auf weniges unbekleidet. Am anderen Webstuhl sein Weib oder seine Tochter."
Eine Anklage
Bei Erscheinen des Dramas "Die Weber" im Januar 1892 hatte sich die katastrophale Lage in Schlesien nicht prinzipiell geändert. Da aber die Lage der Weber nicht untypisch für die Lage des Proletariats im 19. Jahrhundert überhaupt war, bedeutete die Behandlung des Weberstoffes selbst im historischen Kontext eine Anklage. Wer die Weber sah, erblickte in dem Spiegel, den sie der Gesellschaft vorhielten, die massiven sozialen Spannungen, die seit Jahrzehnten mit dem industriellen Aufschwung einhergingen.
Gleich nachdem die Weber erschienen waren, hatte die Frankfurter Zeitung bezweifelt, ob das Stück bei der herrschenden Zensur je zur Aufführung kommen könne. Im Februar beauftragte der Direktor des Deutschen Theaters in Berlin, Adolph L'Arronge, die entsprechende Erlaubnis.
Zensur
Der Polizeipräsident von Richthofen untersagte sie mit der Begründung, hier sei "die ganze Staats- und Gesellschaftsordnung der Zeit, in welcher die Handlung sich abspielt, als des Bestehens unwert geschildert und die Beteiligung am Aufstand als Pflicht des tüchtigen Menschen hingestellt. Es ist zu befürchten, dass das Stück durch die intensivierende schauspielerische Darstellung auf dem Theater einen Anziehungspunkt für den zu Demonstrationen geneigten sozialdemokratischen Teil der Bevölkerung Berlins bietet, für deren Lehren und Klagen über die Unterdrückung und Ausbeutung des Arbeiters durch die Fabrikanten das Stück durch seine tendenziöse Charakterisierung hervorragende Propaganda macht."
Als eine neue Eingabe L'Arronges mit der zweiten, im Dialekt gemilderten Fassung des Stücks, im Januar 1893 erneut abgelehnt wurde, aktivierte der einflussreiche Kritiker Otto Brahm den Verein Freie Bühne, der sich seit 1889 für die Aufführung neuer Stücke zumindest in geschlossener Gesellschaft einsetzte.
Gegen die Zensur etwas völlig Neues
Dann suchte Brahm ein Theater, wählte aus einem halben Dutzend Berliner Bühnen 50 Schauspieler aus und arrangierte die Proben. Die nicht nur schwierig waren, weil die Schauspieler eher unbedeutend waren und einander nicht kannten, sondern auch, weil "Die Weber" etwas völlig Neues waren.
"Zum ersten Mal erschien eine Masse leidender Menschen in der Rolle des Helden, und deren Treibkraft war kein idealistisch verbrämter Wille, sondern nur die soziale Not und der Hunger. Eine neue Spannung wurde hier gesetzt, die noch die folgende Generation bis zu Ernst Toller und Bert Brecht beschäftigte: die von Masse und Mensch. Das Stück brachte also einen Umsturz auch in ästhetischen Kategorien," erklärte der Theaterwissenschaftler Günther Rühle die Spannung, mit der der Uraufführung an jenem 26. Februar des Jahres 1893 entgegengesehen wurde.
Und die man anschließend einhellig als Ereignis wertete. Gerhart Hauptmann war als der zukunftsreichste deutsche Dichter bestätigt, und die Stadt Berlin wurde durch diese Aufführung endgültig in den Mittelpunkt der deutschen Theaterszene gerückt. Als Otto Brahm als Direktor das Deutsche Theater übernahm, war seine zweite Premiere die erste öffentliche Aufführung der Weber in Deutschland. Damals schrieb man den 25. September 1894. Daraufhin kündigte das Kaiserhaus seine Loge im Deutschen Theater - und schnitt sich ab von den weiteren Entwicklungen in der Kunst.
Autorin: Silke Bartlick |
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