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6.1.1852: Louis Braille gestorben
"Unsere hauptsächliche Sorgfalt muss darauf ausgerichtet sein, die Blinden lesen zu lehren." Das forderte Valentin Haüy, der Gründer der ersten Blindenanstalt der Welt in Paris.In einer Druckerei hatte er beobachtet, dass ein bedrucktes Blatt beim Verlassen der Presse auf der Rückseite alle Buchstaben im Relief zeigte, nur verkehrt herum. Dieses Prinzip nutzte Haüy für den Druck von Reliefbüchern mit tastbarer Schrift.

Das war der Anfang, doch blieben die Typen für die Finger noch schlecht lesbar. Daran änderte auch eine in Deutschland entworfene Stachelschrift kaum etwas, die die Buchstabenlinien durch einzelne, eng aneinander gereihte Punkte ersetzte. Zu sehr waren die Blindenschrifterfinder der ersten Stunde durch ihr eigenes Sehen bestimmt, zu eng folgten sie den Vorgaben der Schwarzschrift.

Sechs-Punkte-System zum Lesen

Vielleicht musste erst jemand kommen, der selbst blind war, um eine praktikablere Schrift zu entwickeln. Louis Braille war diese Person. Im Alter von drei Jahren war er durch einen Unfall erblindet. Zunächst besuchte er wie die sehenden Kinder die Dorfschule, und da er sich als eifriger Schüler erwies, wechselte Braille 1820 auf jene Blindenanstalt in Paris, die knapp vierzig Jahre vorher von Valentin Haüy gegründet worden war.

Mit dem Lernen ging es dort besser voran, nur für Brailles Geschmack immer noch ein wenig zu langsam. Was auch an der nur geringen Lesegeschwindigkeit lag, die die Reliefschrift zuließ. Braille experimentierte schon als Schüler an einer neuen Schrift und legte 1825 als erst 16-Jähriger sein Sechs-Punkte-System vor.

Aus diesen sechs Punkten lassen sich 63 verschiedene Kombinationen, die leicht tastbar sind, entwickeln. Und das reichte aus, um das gesamte Alphabet und die notwendigen Zeichen - Satzzeichen, mathematische Zeichen usw. - zu formen und durch diese einfache tastbare Form auch sehr schnell lesbar zu machen.

Braille erlebte die offizielle Anerkennung nicht mehr

Diesen praktischen Nutzen bewies Braille, inzwischen Hilfslehrer an der Pariser Anstalt, im eigenen Unterricht. 1830 wurde das Sechs-Punkte-System zur Schulschrift, was nach kurzer Zeit zu höheren Leistungen der Schüler führte. Dennoch blieben eine offizielle Anerkennung und die weitere Verbreitung seiner Schrift lange aus. Erst nach Brailles frühem Tod am 6. Januar 1852 begannen einige Franzosen eine Kampagne für das Braillesystem als Standardschrift in Europa. In Deutschland übernahm man sie erst 1879 auch zentral in das Blindenschulwesen.

Schon lange ist die Brailleschrift weltweit anerkannt und im Gebrauch. Und von der internationalen Blindenschaft wird sie häufig als eine nur mit dem Gutenberg-Druck gleichzusetzende Geistesrevolution gerühmt.

Schwierigkeiten für ältere Menschen

Durch die Punktschrift ist es blinden Menschen möglich geworden, einen größeren Teil der üblichen Bildung wahrzunehmen. Um als blinder Mensch eine möglichst hohe Lesegeschwindigkeit zu erreichen, bedarf es vor allem des Tastsinns. Und natürlich muss das Lesen dauerhaft geübt werden.

Die Statistik jedoch relativiert das Ganze, denn von den rund 150.000 blinden Menschen in Deutschland kann nur etwa ein Viertel die Blindenpunktschrift lesen. Das wiederum liegt am hohen Anteil der blinden Alten. Über 70 Prozent sind älter als 65 Jahre, die meisten erblinden auch erst im Alter. Da fällt das Lernen einer neuen Schrift schwerer, da der Tastsinn nur noch schlecht ausgeprägt ist.

Braille-Schrift ohne Alternative

Diese Menschen nutzen dann in erster Linie elektronische Medien, wie das Fernsehen und den Hörfunk. Und für literarisch Interessierte bietet der rasant wachsende Hörbuchmarkt Abhilfe. Doch die gedruckte Schrift wird trotzdem nicht zum Auslaufartikel. Denn Fernsehen und Radio können das geschriebene Wort und das geschriebene Buch nicht ersetzen. so hat die Brailleschrift auch im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung den gleichen Stellenwert wie in Zeiten, als es nur das Buch gab. Denn ein Blinder muss schließlich das, was Sehende auf dem Bildschirm sehen, auslesen."

Heute steht Braille mehr denn je für den Zugang zu Bildung und Wissen. Deshalb wird auch immer wieder ein umfassender barrierefreier Zugang für Blinde zum Internet gefordert. Das bedeutet, die Software so einzusetzen, dass nicht nur das Auslesen von Texten, sondern auch von grafischen Flächen vereinfacht wird.


Autor: Dirk Stroschein
   
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