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31.12.1927: "Jonny spielt auf" hat Premiere |
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Heißer Jazz auf der Opernbühne. "Jonny spielt auf", eine moderne Oper aus der Feder des damals 27-jährigen Komponisten Ernst Krenek. Das Stück um den farbigen Jazz-Band-Leiter Jonny wird zur größten Sensation im Musiktheater der 1920er Jahre.
Nach der Welturaufführung im Februar 1927 in Leipzig ist es die legendäre Sylvesterpremiere am 31. Dezember 1927 in Wien, die dem Werk zum kometenhaften Aufstieg verhilft. Von Moskau bis New-York erobert "Jonny spielt auf" die Spielpläne der Opernhäuser. Kein anderes Werk der modernen Musikgeschichte, nicht einmal Kurt Weills "Dreigroschenoper", erlebt jemals einen solchen Siegeszug. Das Publikum liebt die mitreißende Musik im Nachtclub-Stil. Mehr, als dem Komponisten Ernst Krenek lieb ist.
Ernst Krenek: "Wie das Werk aufgeführt wurde, haben die Leute es meiner Ansicht nach missverstanden. Man hat gesagt, endlich die neue Oper ist da, da kommt alles vor, ein Automobil, ein Eisenbahnzug, ein Telefon, ein Radio, das ist die neue Oper! Das war aber gar nicht meine Absicht. Ich wollte darstellen den Gegensatz zwischen Ost und West, zwischen Mitteleuropa und Amerika."
Der farbige Jazz-Band Chef Jonny symbolisiert Amerika, die neue Welt. Er ist vital, fast animalisch, dem Leben, der Liebe, allem Sinnlichen zugewandt. Sein Gegenpart ist Max. Ein europäischer Komponist, depressiv, selbstmordgefährdet, lebensuntüchtig. Durch Jonnys Hilfe gelingt es Max in allerletzter Sekunde, auf einen Eisenbahnzug, der gleichzeitig der Zug des Lebens ist, aufzuspringen. Im Zug sitzt Anita, Maxens große Liebe. Zum Happy-End lässt Jonny seine Geige erklingen.
Ernst Krenek: "Ich hab den Eindruck gehabt damals - ich kannte ja Amerika gar nicht, ich war nie dort gewesen - dass die Neger in Amerika frei sind und eine ganz andere Mentalität haben, als wir uns das vorstellen. So dass also der Neger Jonny ein Symbol von Amerika war für mich. Wenn ich gewusst hätte, wie es dort wirklich zugeht, hätte ich das ja gar nicht geschrieben."
Wie die meisten seiner Zeitgenossen verbindet Krenek mit farbigen Künstlern Superstars wie Duke Ellington oder Josephine Baker. Von der Lebensrealität farbiger Durchschnittsamerikaner, von Diskriminierung und Rassenhass, weiß er nichts. Bis er selber zum Opfer wird. Mit der Machtergreifung der Nazis werden die Werke Kreneks als "verjudete Niggermusik" diffamiert und von allen Spielplänen gestrichen.
Der schwarze Saxophonspieler auf dem Opernplakat zu "Jonny spielt auf" wird mit einem Judenstern versehen. Als Plakat zur berüchtigten Nazi-Ausstellung "Entartete Kunst" erlangt er traurige Berühmtheit. 1938 emigriert der gebürtige Wiener Ernst Krenek in die Vereinigten Staaten. Ein Schicksal, das er seinen Opernhelden Jonny fast prophetisch vorhersehen lässt:
Szene: Yvonne/Jonny, aus "Jonny spielt auf": "Leb wohl, mein Schatz, leb wohl, ich geh hinweg aus meiner Heimat. Sei glücklich ohne mich, ich will es probieren ohne dich und nie komm ich zurück."
Ab 1968 kehrt Ernst Krenek sporadisch nach Europa zurück. Als Mittler zwischen Neoromantik, Zwölftonmusik, Jazz und elektronischer Avantgardemusik genießt der vielseitige Komponist allerhöchste Anerkennung. Seine Heimat findet er in der alten Welt trotzdem nicht mehr.
Ernst Krenek: "Ich bin jetzt nirgends zu Haus. Das ist sehr traurig am Ende des Lebens, dass man das Gefühl hat, man gehört nirgends hin. Aber das muss man eben erdulden, das kann man nicht mehr ändern. Ich versuche es jetzt durch Hin- und Herpendeln, eine Zeit hier, eine Zeit dort. Aber das ändert nichts an der Sache, dass man eigentlich nirgends hingehört."
Als Ernst Krenek im Jahr 1991 im Alter von 91 Jahren stirbt, haben seine Werke längst Musikgeschichte geschrieben. Zur Berühmtheit hat ein einziges gereicht: seine Oper "Jonny spielt auf".
Autorin: Catrin Möderler |
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