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25.11.1965: Mobutu kommt an die Macht |
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Die Bar in dem Hotel Memling in Léopoldville. Die Luft ist feucht und stickig, wie immer kurz vor der Regenzeit. Ein paar ausländische Journalisten trinken ein kühles Bier. 1960 gibt es viel zu berichten über den Kongo. Erst vor wenigen Wochen, am 30. Juni, erreichte das Land seine Unabhängigkeit von Belgien.
Seitdem kommt das Land kaum noch zur Ruhe. Regiert wird der Kongo von dem jungen und charismatischen Patrice Lumumba. Er gilt als Freund der Sowjetunion, nicht nur den Amerikanern ist er deshalb ein Dorn im Auge.
Zu den Journalisten in der Bar des Hotels gesellt sich ein Offizier. "Messieurs", spricht er die Journalisten an, "ich werde heute nachmittag den Ministerpräsidenten verhaften und eine neue Regierung ernennen".
Die Reporter kennen den Mann. Der 29-Jährige ist Oberst, ranghöchster Offizier und Stabschef der "Force Publique". Sein Name: Joseph Désiré Mobuto.
Wer verbirgt sich hinter diesem Mobuto? Nach seiner Zeit in der Missionsschule versucht sich der 1930 geborene Sohn eines Kochs und eines Dienstmädchens in allerlei Betätigungen vom Buchhalter bis zum Journalisten. Mit 19 tritt er in die Armee ein und bringt es bis zum Feldwebel, der höchste Rang, den die belgische Kolonialmacht einem Schwarzen gewährt. Fuß fassen kann Mobuto außerdem in der Partei des späteren Ministerpräsidenten Lumumba.
Als 1960 die Unabhängigkeit naht, fällt die Bilanz der Kolonialzeit verheerend aus. Belgien hatte den Kongo ausgepresst wie eine Orange. Millionen von Kongolesen fielen der Fremdherrschaft zum Opfer. Die Belgier bringen es fertig, während der über 70 Jahre dauernden Kolonialzeit gerade eben zwei Akademiker auszubilden. Schwarze bringen es im besten Fall zum Aufseher oder Vorarbeiter.
Den Kongo trifft die Unabhängigkeit deshalb unvorbereitet, außerdem ist das rohstoffreiche Land Spielball des Kalten Krieges. Aus Sicht der amerikanischen Konzerne steht Lumumba, der erste frei gewählte Ministerpräsident des Riesenreichs, viel zu weit links. Mit Mobuto war ein skrupelloser Vollstrecker der westlichen Interessen gefunden.
Die Ankündigung Mobutos gegenüber den Journalisten im Hotel, Lumumba noch am gleichen Tag zu stürzen, bewahrheitet sich. Der Ministerpräsident wird durch eine Marionette von Gnaden Mobutos ersetzt. Lumumba wird wenige Wochen später, auf seiner Flucht in den Osten Kongos, gefangen genommen und dann ermordet.
Mobuto selber bleibt die nächsten Jahre die Graue Eminenz des Kongo und fungiert offiziell als Generalstabschef. Das soll sich 1965 ändern. In den fünf Jahren seit der Unabhängigkeit ist das Land nicht zur Ruhe gekommen. Unruhen, Wirren und Sezessionsbewegungen vor allem der kupferreichen Provinzen Katanga und Kasai, schwächen das Land und die Wirtschaft. Besonders Washington wünscht sich mehr Stabilität. Immerhin verfügt der Kongo über riesige Kupfer- und Uranvorkommen.
Mobuto putscht sich am 25. November 1965 an die Macht. Er löst das Parlament auf und setzt die Verfassung außer Kraft mit der schlichten Rechtfertigung, "ein Dorf kann keine zwei Chefs haben. Zwei oder drei Häupter auf einem Körper - für uns Afrikaner wäre das ein Ungeheuer."
Kommunisten und Nationalisten spielen von nun an keine Rolle mehr. Auch die Wirtschaft profitiert zunächst, unliebsame Streiks werden sofort niedergeschlagen. Mobuto regiert wie ein Feudalherr - mit einem Minimum an Gewalt und einem Maximum an Korruption. Obwohl Mobuto verglichen mit Diktatoren wie Idi Amin oder Bokassa weniger Blut vergießt, bringt sein System des Diebstahls und der Ausbeutung indirekt den tausendfachen Tod.
Ein weiteres Kennzeichen seine Macht: Die von ihm ausgerufen Afrikanisierung seines Volkes, alles Westliche wird verpönt, christliche Namen werden gestrichen. Mobuto selber tauft sich um in Sese Seko, was soviel heißt wie der von Sieg zu Sieg eilt. Aus Kongo wird Zaire, aus Léopoldville Kinshasa. International gebärt sich Mobuto Sese Seko als Chamäleon. Seine Wortbrüche gegenüber der Weltbank und dem Währungsfonds bleiben ohne Zahl.
Trotzdem werden ihm Kredite und Entwicklungshilfe gewährt - auch aus Deutschland. Mobuto wirtschaftet emsig in die eigene Tasche, sein Vermögen wird zeitweise auf acht Milliarden Dollar geschätzt. Derweil verarmt die Bevölkerung.
Mitte der 1990er-Jahre naht sein Ende. Als Mobuto 1997 von Laurent Kabila entmachtet wird, ist die Wirtschaft auf einem Niveau von vor 40 Jahren, die Straßen sind verrottet. Die Mehrheit der 46 Millionen Kongolesen kennt weder Telefon noch fließend Wasser. Mobuto geht 1997 ins Exil nach Marokko, wo er wenige Monate später seinem Krebsleiden erliegt.
Autor: Oliver Ramme |
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