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1.10.1874: Standesamtsregister eingeführt |
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Deutschlands Bischöfe tobten. Wieder ein Gesetz, um Unzucht und Unmoral zu verbreiten, gegen diese Zivilehe werde man kämpfen bis zuletzt. Lange Zeit reichte es kirchlichen Segen einzuholen, wenn Mann und Frau den Bund fürs Leben schließen wollten.
Damit war am 1. Oktober 1874 Schluss. Kaiser Wilhelm I. und Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck verfügten, dass in Preußen fortan Standesamtsregister geführt wurden. So galt jetzt, dass allein vor preußischen Beamten eine rechtsgültige Ehe geschlossen werden konnte.
Ob die Frischvermählten im Anschluss an den zivilen Akt den Segen Gottes zusätzlich einholten, blieb ihnen überlassen. Und ein Pfarrer, der die kirchliche Trauung vornahm noch bevor die zukünftigen Eheleute auf der Behörde waren, machte sich strafbar.
So steht es in Paragraph 67 des Personenstandsgesetzes, das im Jahr drauf die preußische Neuerung verbindlich für das ganze Reich vorschrieb und bis auf den heutigen Tag gilt.
Dieser Vorstoß der weltlichen Herrscher im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts war teil des "Kulturkampfes", den der protestantische Reichskanzler Bismarck gegen den Katholizismus führte; wobei die Einführung der so genannten Zivilehe und die Installation von Standesämtern nur eine Maßnahme von vielen war, um den Einfluss des Papstes in Rom auf die preußischen Geschicke einzudämmen.
Bismarck erließ den "Kanzelparagraphen", der Geistlichen verbot "Angelegenheiten des Staates in einer den Frieden gefährdenden Weise" anzusprechen. Er verstärkte mit den "Maigesetzen" die staatliche Aufsicht über die Kirchen, schrieb ein "Kulturexamen" vor, wonach die Ausbildung Geistlicher vom Staat gelenkt wurde und drehte den Kirchen per "Brotkorbgesetz" den Geldhahn zu.
Doch gut zehn Jahre nachdem Ehen, Geburten und Todesfälle in Standesamtsregister eingetragen werden mussten, vertrugen sich Berlin und Rom wieder. Im Vatikan wechselte die Führung und innenpolitisch hatte der alte Haudegen Bismarck einen neuen Feind ausgemacht: die Sozialdemokratie.
Im Jahre 1887 erklärte Papst Leo XIII. den Kulturkampf für beendet. Viele der im Streit erlassenen preußischen Gesetze wurden zurückgenommen, was blieb war die staatliche Schulaufsicht und das "Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung".
Damit zog preußische Ordnung in Gesamtdeutschland ein. "Über die mündliche Anzeige einer Geburt oder eines Sterbefalles ist dem Anzeigenden eine kostenfreie Bescheinigung auszustellen", stand im Gesetz.
Berlin ernannte Gutsbesitzer, Apotheker, Schulmeister, Kaufleute oder angesehene Handwerker zu Standesbeamten, für Frauen war diese neue Aufgabe tabu. Die neuen Staatsdiener mussten fortan für jede Gemeinde und jeden Gutsbezirk ein Geburts-, ein Heirats- und ein Sterberegister führen.
Jährlich war mit Nummer Eins zu beginnen, Ausstreichungen, Korrekturen durch Überschreiben oder Rasuren durften nicht vorgenommen werden. Ferner legte das Gesetz fest, dass Eheschließungen nur an Wochentagen vorgenommen werden dürfen und auch dann nur am Vormittag.
Gleichzeitig sollte der Standesbeamte als Zugeständnis an die vor Empörung bebende Kirche "alles vermeiden, was bei den Beteiligten die Meinung hervorrufen kann, als sei mit der Einführung der bürgerlichen Eheschließung die kirchliche Kopulation überflüssig geworden."
Vor der Heirat war eine Aufgebotszeit bestimmt, die Ankündigung des großen Ereignisses war in der Pfarrgemeinde der Verlobten auszuhängen. War der Bräutigam bereits vergeben, konnte innerhalb dieser Frist jedermann und jederfrau die Trauung verhindern. Im Juli 1998 wurde dieser Passus abgeschafft.
Ebenfalls mittlerweile außer Kraft gesetzt: Der Paragraph 28 des Personenstandsgesetzes, der besagte, dass Söhne bis zum 26. Lebensjahr und Töchter bis immerhin 24 Lenze erst Papa - nicht Mama und Papa - sondern nur Papa fragen mussten, ob sie heiraten dürfen.
Witwer und Witwen mussten bei einer erneuten Eheschließung nachweisen, dass ihre minderjährigen Kinder versorgt sind, Soldaten hatten den Vorgesetzen um Erlaubnis zu bitten, Ausländer den amtierenden Innenminister bevor erst der Standesbeamte und dann der Pfarrer sagen konnten:
Trauungszeremonie: "Sie treten in eine Gemeinschaft ein, die wegen ihrer Bedeutung und Größe über alle anderen Gemeinschaften zu setzen ist. Sie haben meine Fragen beide mit Ja beantwortet, ich spreche daher aus: Sie sind Kraft Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute."
Autorin: Gerda Gericke
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