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30.11.1854: Seefahrt ohne Grenzen: der Suez-Kanal
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Wir sind an Bord der "Seabourn Sun". Ein schneeweißes Kreuzfahrtschiff auf dem Weg von Venedig über Port Said nach Suez und dann weiter: Weltreise. Wir sind in der wohl geschichtsträchtigsten Wasserstraße der Welt, dem Suezkanal. Vor dem Bug ein schnurgerades Wasserband immer in Richtung Süden, rechts und links Wüste, gelegentlich ein paar Häuser, Kamele, Palmen und die parallel verlaufende Suezkanal-Eisenbahn.

Seit gut zwei Stunden sind wir unterwegs, mit gemütlichen 7,5 Knoten, das sind 14 Kilometer in der Stunde. Von den 162 Kilometern des Suezkanals liegen also noch 134 vor uns, bis wir das Rote Meer erreichen. Eine Fahrt durch die Geschichte der Wasserstraße.

Die Idee, eine Verbindung von Mittelmeer und Rotem Meer zu bauen war nicht neu. Pharaonen, Ptolomäer und Römer träumten davon und bauten diverse Male Kanäle vom Süden zum Nildelta. Auch Napoleon, der mit seinen Soldaten 1798 in Ägypten einmarschierte, hegte Kanalpläne.

Es war dann auch ein Franzose, der endgültig für den Durchstich von Nord nach Süd sorgte: Ferdinand de Lesseps. Zuvor hatten etliche Ingenieure und Wissenschaftler sich mit der Idee einer Verbindung vom Mittelmeer zum Isthmus beschäftigt, waren aber an einem Vermessungsfehler des von Napoleon 1800 mit dem Plan eines Kanal beauftragten Wissenschaftlers Lepère gescheitert.

Lepère hatte nämlich errechnet, dass der Spiegel des Roten Meeres um rund zehn Meter höher liege als der des Mittelmeers an der Küste bei Port Said und hielt deswegen den Bau von Schleusenanlagen für erforderlich. Zwar wurden seine Messungen schon 1830 als falsch widerlegt, aber die Ingenieure waren verunsichert.

Erst Lesseps ergriff die Initiative. Überzeugt von der Niveaugleichheit beider Meeresspiegel, gelang es dem vormaligen französischen Konsul seinen ägyptischen Jugendfreund, König Said Pascha, für das Projekt zu gewinnen. Kaum einen Monat hielt sich Lesseps am Hof des neugekrönten Staatsoberhauptes auf, als dieser am 30. November 1854 die erste Konzession für den Bau des Suezkanals erhielt. Das Startzeichen war gegeben.

Es dauerte fünf Jahre bis der erste Spatenstich für den Kanal getan werden konnte. Zunächst wurde die Suez-Gesellschaft gegründet, die die Erlaubnis zur Anlage eines Kanals und eine neue Konszession über 99 Jahre Laufzeit erhielt. Am 25. April 1859 begannen die Arbeiten.

Zehn Jahre später, am 17. November 1869, wurde die Wasserstraße für die Schifffahrt frei gegeben. Es war eine technische Meisterleistung, das grösste Projekt des maritimen Weltverkehrs. Unter den ägyptischen Zwangsarbeitern forderte der Kanal ungezählte Opfer. Von den Anstrengungen war der Kanalbau nur mit der Errichtung der Pyramiden vergleichbar.

Schnell wurde der Kanal zum politischen Zankapfel. Gebaut vom Franzosen Lesseps, gelangten die Rechte der Kanalgesellschaft 1875 an die Engländer. Für sie war die Verbindung vom Mittelmeer über das Rote Meer nach Indien von großem Interesse, verkürzte sie doch den Seeweg zu den Kolonien um rund 10.000. Kilometer. Zunächst wurde von Franzosen, Engländern und Ägyptern die Neutralität der Kanalzone vereinbart. Die Gründung Israels 1948 verschärfte das Klima in der Region, und Ägyptens Präsident Nasser untersagte israelischen Schiffen den Kanal zu benutzen.

In den nachfolgenden Kriegen zwischen dem jungen Staat Israel und Ägypten wurde der Kanal mehrmals bombardiert, durch das Versenken von Schiffen gesperrt und blockiert. Acht Jahre mussten die Schiffe von 1967 an wieder um das Kap der Guten Hoffnung fahren - der Suezkanal blieb gesperrt.

Erst 1975 eröffnete ihn Ägyptens Präsident Anwar el Sadat wieder als "Straße der Versöhnung". Doch die Zeit hatte auch die Bedeutung des Kanals geändert und geschmälert. Für die großen Öltanker war die Straße nach Norden zu schmal und auch die Kosten für die Durchfahrt waren zu hoch.

Allein für die Passage der "Seabourn Sun" erhält der Staat Ägypten eine Gebühr von 220.000 Dollar. Insgesamt kommen jährlich zwei Milliarden Dollar an Devisen zusammen. Doch insgesamt hat die Bedeutung des Suezkanals heute eher Geschichte als Zukunft.

Autor: Jens Teschke
   
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