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13.8.1892: Cholera in Hamburg
Hamburg - Tor zur Welt. Schiffe fahren in und kommen aus aller Herren Länder Welt in die Hafenmetropole. Mit Hoffnung auf Arbeit kommen 1892 auch viele Osteuropäer in die Hansestadt. Sie wohnen im Arme-Leute-Viertel. Am Hafen, an der Steinstraße, in der Spitalerstraße oder an der Niedernstraße - in diesen Gängevierteln herrscht Enge, zu viele Menschen teilen sich Wohnungen und die dürftigen Toiletten. Hier ist der ideale Nährboden für Krankheiten aller Art.

Die Hitze des Augusts liegt über der Hansestadt. Zunächst sind es nur drei Menschen, die am 13. August 1892 sterben. Sie zeigen die klaren Symptome der Cholera. Professor Peter Schenk, Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Berliner Charité, erläuterte die Ursache, warum es zum Ausbruch der Cholera kam: "Es war der Einbruch von Fäkalien, die von einer Aussiedlerbaracke in der Nähe des Elbufers stammen sollte. Durch ein Hochwasser ist diese Grube in das Elbwasser gelangt, und dieses Wasser wurde vom Wasserwerk Hamburg unfiltriert in das Wasserleitungsnetz als Brauchwasser gepumpt."

Tödliche Krankheit

Nicht unbekannt ist die Cholera in Hamburg, jedes Jahr im Sommer gibt es ein paar Fälle. Doch diesmal ist es die asiatische Cholera, ein hartnäckigeres Bakterium als bislang. Die ersten Fälle werden vertuscht. Doch dann brechen die ersten Menschen mitten auf den Straßen zusammen.

Wenige Tage später, am 22. August sind bereits 1.100 Menschen erkrankt. Für 455 kommt jede Hilfe zu spät. Sie verdursten elendig. Cholera, das ist ein rapider Flüssigkeitsverlust hervorgerufen durch Durchfall, bei dem man innerhalb von 24 Stunden bis zu 20 Liter Wasser verliert. Hinzu kommt Erbrechen, der Blutdruck sinkt, Muskelkrämpfe, Kreislaufkollaps. Nach maximal sieben Tagen ist die Krankheit vorbei, zu 70 Prozent tödlich.

Der Bakteriologe Robert Koch kommt entsetzt aus Berlin und schreibt an den Kaiser: "Eure Hoheit, ich vergesse, dass ich in Europa bin. Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie hier."

Katastrophale Bedingungen

Der Senat der Hansestadt wusste ob der katastrophalen Bedingungen. Aber statt eines Wasserwerks hatte man lieber ein neues repräsentatives Rathaus gebaut und den Hafen erweitert. Doch täglich stieg die Zahl der Cholera-Erkrankten und der Toten - und der Zusammenhang mit der Wasserversorgung ließ sich nicht mehr leugnen.

Prof. Schenk erläuterte dazu: "Dazu kam noch, dass Altona, die Nachbarstadt Hamburgs, damals keine Epidemie hatte, weil Altona ein moderneres Wasserwerk, das mit Sandfiltern ausgerüstet war hatte. Und dann nach dem Filtrieren war es eben relativ keimarm, keimfrei war es nicht, aber es war dann nicht mehr gefährlich und als Trinkwasser geeignet. Also dieser technologische Unterschied, die kleine Stadt Altona, wohlhabend, hatte sich ein besseres Wasserwerk leisten können, als die große Hafenmetropole Hamburg. Das wurde dann natürlich anders, aber zu dieser Zeit musste es erst zu der Epidemie kommen, bevor man die Untersuchungen richtig deutete und erkannte."

Die Medicial Behörde der Stadt verteilte Hinweiszettel an die Bevölkerung, nur abgekochtes Wasser sei zu trinken, alle Gegenstände der Kranken desinfizieren zu lassen, Tote sofort aus dem Haus bringen zu lassen; Alkohol trinken helfe nicht - hieß es da unter anderem.

Erreger im Wasser

Zehn Wochen lang wütete die Cholera in Hamburg. Zehn Wochen lang kam jeglicher Verkehr mit der Hafenstadt zum Erliegen und verhinderte somit ein Ausbreiten der Seuche. Bilanz: Rund 17.000 Erkrankte, die Hälfte von ihnen, 8.600, starben.

Konsequenz: Hamburgs Gängeviertel wurden grundlegend saniert, eine Müllverbrennungsanlage wurde errichtet, der Bau unhygienischer Wohnungen verboten.

Und, so Professor Schneck von der Charité: "Man kann sagen, dass die Hamburger Epidemie eine zeitliche Grenze war zwischen dem Beginn einer wissenschaftlichen Behandlung dieser Seuche, der Erkenntnis über die Ursache dieser Seuche. Der Erreger war nur die eine Seite. Wenn man noch nicht weiß, wie der Erreger übertragen wird, ob über die Erde, was sich als falsch erwies oder durch Wasser, was richtig war, dann ist das auch ein großer Schritt vorwärts. Und die therapeutischen Möglichkeiten wuchsen dann nach der Jahrhundertwende."



Autor: Jens Teschke
   
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