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26.3.1898: Jugendstil erobert Wien |
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Aufbruchstimmung herrscht Ende des 19. Jahrhunderts in der Kunst. Ein neuer Stil beginnt sich in Europa zu verbreiten. Sprachrohr seiner Anhänger ist die Zeitschrift "Jugend". Sie wird einer ganzen Epoche ihren Namen geben: Jugendstil.
Eines der Nervenzentren der neuen Kunst ist Wien. Dort schließen sich 19 bekannte bildende Künstler zu einer Gruppe zusammen. Sie sagen sich los vom staatlich anerkannten Kunstbetrieb, den das Wiener Künstlerhaus repräsentiert. Das lateinische Wort für Spaltung wird ihr Name: Sezession.
Am 26. März 1898 legt die neue Künstlergemeinschaft um Gustav Klimt, Kolo Moser, Joseph Hoffmann und Alfred Roller den Grundstein zu ihrem eigenen Haus. Der schlichte weiße Quaderbau mit der halbrunden Kuppel aus leuchtend-goldenem Blattwerk erinnert an eine außerirdische Sternwarte. Ein exotischer Eindringling zwischen der der prachtvoll einheitlichen Ringstraßenarchitektur. Er bekommt den Namen der Künstlergruppe. In der Sezession im Herzen Wiens finden von jetzt an ihre Ausstellungen statt.
Jugendstil - Sezessionsstil
Noch regiert in Wien nämlich neobarocker Historismus. Das Maß aller Dinge sind die riesigen Gemälde Hans Markarts. Sie zeigen prunkvolle Szenen des höfischen und gesellschaftlichen Lebens. Perspektivische Illusionsmalerei, detailgetreu bis zur winzigsten Einzelheit.
Der neue Stil, in Österreich statt Jugendstil Sezessionsstil genannt, provoziert mit radikaler Vereinfachung in Form und Farbe. Japanische Holzschnitte stehen Pate. Aus perspektivischer Tiefe wird graphisch gestaltete Fläche. Die eleganten Schwünge pflanzlicher Formen werden die Lieblingsornamente des Jugendstil.
Der neue Stil greift auf alle Bereiche der Kunst über. Die Musik wagt sich langsam heraus aus den Grenzen der Tonalität. Ausdruckstanz heißt das neue Ballett ohne Tutu und Spitzenschuhe. Modedesigner des Jugendstil befreien das Frauenkleid vom klassischen Symbol gesellschaftlicher Zwänge, dem Korsett. Lebensraum wird zum Kunstraum. Jugendstilarchitekten bauen in den Metropolen Europas U-Bahn-Stationen, so elegant wie Opernhäuser.
"Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit"
Das Kunstgewerbe trägt den Jugendstil in die Textil- Schmuck- Glas- und Möbelindustrie. Binnen weniger Jahre ist Jugendstil allgegenwärtig. So sehr, dass sogar schon ein Journalist der Zeitschrift "Jugend" klagt: "Jugendstil heißt jede Tapete, jeder Krawattenstoff, jeder Kattun, dessen Muster halb scheußlich, halb japanisch ist. Jugendstil heißen Stühle, auf denen man nicht sitzen, Schränke, in die man nichts hineintun, Gläser, aus denen man nicht trinken, Löffel, mit denen man nicht essen kann! Es ist, um aus der Haut zu fahren!"
Der Erste Weltkrieg beendet die Epoche des Jugendstil. Art Deco, Bauhausstil und Expressionismus lösen ihn ab. Aber irgendwo ist seine zeitlose Schönheit immer präsent.
Wer sitzt schließlich nicht schon mal im Bistro auf Kaffeehausstühlchen aus gebogenen Holzstangen mit geflochtener Sitzfläche- einem Erfolgsentwurf des Jugendstil. Und genauso zeitlos, wie die Werke der Sezession, ist ihr Wahlspruch; in goldenen Buchstaben über dem Eingang ihres Hauses in Wien nachzulesen: "Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit."
Autorin: Catrin Möderler |
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