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2.11.1979: Beuys im Guggenheim-Museum |
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Wie eine Schnecke windet sich der spiralförmige Bau des Guggenheim in den Himmel über New York. An der Fifth Avenue hat Frank Lloyd Wright sein architektonisches Vermächtnis hinterlassen. Ein moderner Kunsttempel - so raffiniert, dass es die darin ausgestellte Kunst schwer hat. Einmal musste der Tag kommen, an dem ein Deutscher diesen Olymp der Kunst erklimmt: Joseph Beuys!
Joseph Beuys sagte einmal: "Wenn die Menschen mich fragen: Sind Sie ein Künstler? Dann sag ich: Hören Sie mir auf mit diesem Dreck! Ich bin gar kein Künstler. Es sei denn unter der Voraussetzung, dass wir uns alle als Künstler verstehen. Dann bin ich dabei, sonst nicht!"
1979 ist Beuys Deutschlands bekanntester und umstrittenster Künstler. Den einen gilt er als großer Denker, als Philosoph, ja Magier. Andere beschimpfen ihn als Verrückten, als Scharlatan, und - wegen seiner politischen Ambitionen - als Volksverhetzer. So oder so: 1979 wird das Werk des Kunstprofessors aus Düsseldorf zum offiziellen Exportgut der wieder erstarkten Kulturnation Deutschland. Erst Geld aus der Bonner Staatskasse macht die Retrospektive überhaupt möglich.
Kopf an Kopf stehen die Vernissage-Gäste beienander - Kritiker wie Bewunderer. Gleich im Foyer sind riesige Talgformierungen auf dem Museumsfußboden zu sehen...
Joseph Beuys: "Sehr viele Menschen verstehen unter der Kunst die Freiheit des Willkürlichen, sie verstehen: Ah, Kunst, da kann ich ja machen, was ich will."
Kunst, das haben diese New Yorker gelernt, ist Kommunikation. Und Beuys, das wissen sie aus den vielen Magazin- und Zeitungsartikeln, will seine Idee von einer Kunst verbreiten, die Politik und Leben zugleich ist. "Jeder ist ein Künstler", Beuys Kernthese gehört in den USA zum demokratischen Gepäck.
400 Zeichnungen des Deutschen hängen nun an den Wänden des Guggenheim. Plastiken und sogenannte "Environments" voller Filz und Fett hat Beuys auf die Gänge des Schneckenhauses gelegt. Kunst, die viele US-Amerikaner verwirrt und ratlos macht. "Es muss was dran sein", vermuten die Leute. Manche lauschen der Führung auf Tonband. Andere verkriechen sich in den Video-Nischen. Alle wollen verstehen.
Aber eins hat der "verrückte Deutsche" eben nicht mitgeliefert: Erklärungen. Stattdessen lässt er sein künstlerisches Leben Revue passieren. Die Aktionen freilich, die Vorträge, die politischen Versammlungen, die Beuys in Deutschland zum politischen Künstler geprägt haben - sie unterlässt der Künstler in den USA.
Das Echo ist vielstimmig: Die US-amerikanischen Medien loben die Schau und die Inszenierung, aber verteufeln den Künstler. "Man wird den Verdacht nicht los, dass der politische Künstler Beuys von Deutschland dafür eingesetzt wird, der Welt zu zeigen, wie liberal man ist", schreibt etwa ein Kritiker.
Stolz und Genugtuung mischen sich im deutschen Blätterwald. "Most important" fand der New Yorker Top-Galerist Ronald Feldman die Beuys-Schau im Guggenheim. Die Zeitschrift "Capital" kürt Beuys zur Nummer Eins im internationalen Kunstgeschäft - noch vor Andy Warhol und Robert Rauschenberg. Die USA, das steht fest, hat mit der Beuys-Schau im New Yorker Guggenheim sein Fett weg gekriegt.
Autor: Stefan Dege |
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