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23.9.1973: Die Notrufnummern 110 und 112
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Ein Moment der Unachtsamkeit, schon ist es passiert: Im Mai 1969 wird der kleine Björn Steiger von einem Auto erfasst, als er gerade vom Schwimmbad nach Hause läuft. Sofort eilen Passanten herbei und alarmieren die Polizei und das Rote Kreuz. Weil der Krankenwagen aber über eine Stunde braucht, um die Unfallstelle zu erreichen, stirbt der Junge nur wenige Tage vor seinem neunten Geburtstag. Nicht an seinen Verletzungen, sondern an einem Schock, der durch eine rasche Sauerstoffzufuhr hätte behandelt werden können.

Es ist dieses tragische Ereignis, das seinen Vater, Siegfried Steiger, dazu veranlasst, die "Björn Steiger Stiftung" zu gründen, um sich für ein besseres Notrufsystem einzusetzen: "Es gab nur einen Krankentransport und nachts kam in der Regel keiner. Wir hatten nicht gewusst, dass es in Deutschland keinen Rettungsdienst gibt. Und deshalb waren wir der Meinung, dass unser Sohn Pech hatte, dass es so lange dauerte. Dann wurde mir von Journalisten und auch vom Rettungsdienst selber gesagt: "Ja Gott, eine Stunde. Manchmal dauert es viel länger!" Es hat sich niemand darum gekümmert."

Die Anfänge

Als erste Maßnahme finanziert die Stiftung Funkgeräte, mit denen die Krankentransporte ausgestattet werden. 1971 werden hundert Notruftelefone in verschiedenen Bundesländern installiert. Den Meilenstein setzt die Stiftung schließlich am 23. September 1973: das kostenfreie Notrufsystem mit den Rufnummern 110 und 112 wird frei geschaltet. Siegfried Steiger erinnert sich noch an das Desinteresse der Behörden: "Wir haben damals von Bundestagsabgeordneten, von Ministern immer wieder erfahren, dass die Realisierung unfinanzierbar sei. Da ich aber von niemandem eine Auskunft bekommen habe, was es denn kostet, habe ich einfach bei der Oberpostdirektion in Stuttgart angerufen. Es waren damals 387.000 D-Mark für den Regierungsbezirk Nordwürttemberg mit vier Millionen Menschen. Das erschien mir wirklich finanzierbar."

110 und 112

Es dauert noch gut acht Jahre, bis sämtliche Ortsnetze an das System angeschlossen sind. Damit im Notfall nicht schon beim Wählen unnötige Zeit verloren geht, entscheidet man sich für die einfachen Zahlenkombinationen 110 und 112. Siegfried Steiger erklärt: "Wir hatten ja damals noch Wahlräder. Die 111 wäre natürlich am schnellsten gegangen. Aber da hat man dann die Erfahrung gemacht, dass Kinder gern damit spielen. Wenn die in die 1 kommen, dann drücken die drei oder vier Mal die 1 und schon geht jedes Mal ein Notruf an die 111 - deshalb hat man diese Zahl nicht gewählt."

Die 112 gilt inzwischen europaweit. Etwa jeder vierte EU-Bürger hat von dieser Nummer schon einmal Gebrauch gemacht. In Deutschland beschränkt man sich bei der Notfallkommunikation einheitlich auf die fünf "Ws", die wichtigsten telefonischen Angaben:

Wo geschah es?
Was geschah?
Wie viele Personen sind betroffen?
Welche Art der Verletzung liegt vor?
Warten auf Rückfragen.

"Life Service"-System

Die größte Schwierigkeit stellt nach wie vor die Verortung der Hilfesuchenden dar. Insbesondere auf Autobahnen oder auf freiem Feld wissen die Betroffenen häufig nicht, wo genau sie sich befinden. Die Entwicklung von GPS-Handys ermöglicht inzwischen eine sehr präzise Ortserkennung, erklärt Jürgen Bartz, Geschäftsführer der Björn-Steiger-Stiftung-Service GmbH: "Man benötigt grundsätzlich immer eine Software, um ein GPS-Modul auch ansprechen zu können. Das ist im Notfall nicht immer der Fall. Und letztlich, wenn eine Notrufleitstelle Sie orten möchte, wäre die Voraussetzung, dass Sie diese Software installiert haben. Was derzeit dummerweise noch nicht der Fall ist." Dank des sogenannten "Life Service"-Systems, das 2006 ins Leben gerufen wurde, ist es möglich, jedes Handy zu lokalisieren, das in einem deutschen Providernetz eingewählt ist.



Autorin: Sarah Tschernigow
   
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