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3.3.1975: Terroristen erpressen Bundesregierung
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Heinrich Albertz, bis 1967 Regierender Bürgermeister von Berlin, besteigt gemeinsam mit fünf inhaftierten Terroristen am 3. März 1975 ein Flugzeug. Er soll die Gefangenen in die Freiheit begleiten. Im Gegenzug will die terroristische "Bewegung 2. Juni" den von ihnen entführten Berliner CDU-Politiker Peter Lorenz freilassen. Die Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt geht auf die Forderungen ein.

"Es geht hier darum die Chance zu nutzen, das Leben von Peter Lorenz zu retten und dabei das Risiko in Kauf zu nehmen die Strafe gegen bestimmte Häftlinge nicht verhängen oder vollstrecken zu können. Alle an dieser schweren Entscheidung Beteiligten, haben mit unterschiedlicher Abwägung die Rettung des Lebens von Peter Lorenz über Gesichtspunkte der Staatsräson gestellt," sagt damals mit stockender Stimme der damalige Innenminister Werner Maihofer. Ihm ist das Unbehagen über die Entscheidung anzuhören.

Albertz als Unterhändler

Am 27. Februar 1975, drei Tage vor den Berliner Landtagswahlen, hatte die "Bewegung 2. Juni" den Spitzenkandidaten der CDU Peter Lorenz entführt. Die Terroristen fordern die Freilassung von inhaftierten Gesinnungsgenossen. Keiner dieser Häftlinge ist wegen Mordes verurteilt. Der Staat soll auf die Forderung gerade so noch eingehen können. Zum Schutz der Freigepressten verlangen die Entführer den ehemaligen Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz als Unterhändler. Die Terroristen vertrauen dem ehemaligen Politiker, der zu diesem Zeitpunkt als Pfarrer arbeitet.

Später erinnert sich Albertz: "Die Entführer des Herrn Lorenz wurden gefragt, warum sie ausgerechnet mich genommen haben. Und da waren ein paar andere Gründe und dann war auf eine ganz primitive Weise gesagt, man könne sich auf mich verlassen. Das habe ich eigentlich ganz nett gefunden."

Benno Ohnesorg

Albertz empfindet seine Verpflichtung durch die Entführer zuerst als späte Rache für Benno Ohnesorg. Schon der Name der Terrorgruppe ist ein Hinweis auf die acht Jahre zurückliegenden Ereignisse. Am 2. Juni 1967 ist Albertz Regierender Bürgermeister von Berlin, als bei einer Demonstration gegen den persischen Schah der Student Benno Ohnesorg erschossen wird.

Anfangs verteidigt Albertz das harte Durchgreifen der Polizei: "Wir lassen uns nicht länger von einer Minderheit terrorisieren. Was sich in den letzten 24 Stunden ereignete, hat mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nicht das geringste zu tun. Die Geduld der Berliner hat ein Ende. Sicherheit und Ordnung müssen in dieser Stadt gewährleistet bleiben."

Doch bald beginnt Albertz umzudenken. Er fühlt sich mitverantwortlich für den Tod des jungen Mannes. Im Herbst 1967 tritt Heinrich Albertz von seinen politischen Ämtern zurück und arbeitet wieder als evangelischer Pfarrer. In den folgenden Jahren eckt er mit seinen kritischen Äußerungen zum Umgang mit radikalen Linken nicht nur bei alten Parteigenossen an. Er gibt der Gesellschaft eine Mitschuld am Terrorismus.

Erfüllung der Bedingungen

Als sich Pfarrer Albertz 1975 auf die Reise mit den Häftlingen begibt, weiß er zunächst nicht einmal, wohin es geht. Der Flug führt schließlich ins südjemenitische Aden. Es folgen lange und strapaziöse Verhandlungen, an deren Ende die Häftlinge Asyl erhalten. Am 4. März kehrt Heinrich Albertz nach Deutschland zurück und verliest eine Erklärung der Häftlinge: "Wir werden unsere Energie darein setzten, dass für sie auch bald so ein Tag so wunderschön wie heute anbrechen wird."

Das Zitat aus einem deutschen Schlager ist das Losungswort, das den Entführern von Peter Lorenz die Erfüllung ihrer Bedingungen bestätigt. Kurz darauf ist der CDU-Politiker frei.

Doch es dauert nur wenige Wochen bis deutsche Terroristen in Stockholm erneut Geiseln nehmen, um die Gründer der RAF Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin freizupressen. Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte jedoch noch am Tag der Freilassung von Peter Lorenz klargestellt, dass sich die Regierung nicht noch einmal erpressen lassen würde. Bis heute hat diese Aussage von Helmut Schmidt Bestand.

   
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